ZUKUNFT
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Vorwort zur 2. Auflage
(op\ right 1955 by Dr. C. Adlmaier, Traunstein
Druck und Verlag:
Chiemgau-Druck, Traunstein /Obb., Ludwigstraße 13
• Telefon 4619
Alle Hechte Vorbehalten!
Nachdruck,
vueh auszugsweise, wird strafrechtlich verfolgt!
Nach jahrelangem Zögern habe ich mich nun ent-
schlossen, den zahlreichen Bitten nach einer zwei-
ten Auflage de.» Büchleins „Blick in die Zu-
kunft“ nachzugeben. Das Ergebnis dieser Jahre
dauernden Forschungen lege ich dem Leser vor.
Dabei möchte ich nicht unterlassen, einige grund-
legende Punkte über Prophezeiungen und irdi-
schen herauszuheben.
Erste Frage: Gibt es überhaupt, so wird mancher
sagen, so etwas wie Prophezeiungen? Für den
Menschen, der an Gott glaubt, an einen Gott,
der in seiner Barmherzigkeit väterlich für seine
Kinder sorgt, wird die warnende Prophezeiung
keine Frage sein. Die heilige Schrift liefert uns
unzählige Beweise dafür, daß der Lenker der
Wcltenschicksalc besonders vor großen Kata-
strophen immer wieder durch Propheten seine
warnende Stimme erhob und die Generationen
mahnte, Buße zu tun und um Abwendung der
göttlichen Strafgerichte zu beten. Daraus ergibt
sich die Tatsache, daß manches vorausgesehene
Unheil abgewendet werden kann. Die meisten
Voraussagungen sind daher konditionell, d. h. sic
erfüllen sich nur unter gewissen Umständen, die
zum größten Teil in der geistigen Situation
liegen. Das Beispiel des Propheten Jonas ist
aufschlußreich genug. Der Hellseher sicht nun
ein Ereignis, wie es sich abspielen könnte und
r
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abspielen wird, wenn cs der Wille Gottes so
will. Es ist aber nicht bloß der Glaube der
katholischen Kirche, daß durch die Fürbitte der
allcrseligsten Jungfrau der Arm der göttlichen
Gerechtigkeit aufgehalten wird. Wenn im Jahre
1950 das Unheil des 3. Weltkrieges nicht herein-
brach, dann wird dies auf das von Papst Pius XIF.
verkündete Dogma der Assumptio, der Aufnahme
Mariens in den Himmel, zurückgeführt. Denn
auch im geistigen Feld der Kräfte, in dem wir
leben, gibt cs Dinge, die wir wohl ahnen über
nicht wissen. Wer diese Meinung ablehnt, den
erinnern wir an die Ereignisse der letzten fünf
Jahre, in denen dutzendc von Malen das Schick-
sal der Menschheit auf des Messers Schneide
stand.
Zweite Frage: Muß ein Hellseher ein Heiliger
sein!' Diese Frage ist zu verneinen. Das Schauen
in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist eine
Gabe, die gratis gegeben wird (gratia gratis data).
Es hat viele Heilige gegeben, die solche Gaben
besaßen. Es gibt aber Hellseher, die man nicht
als Heilige bezeichnen kann. Aber sie haben die
Gabe des Ilellsehens.
Dritte Frage: Ist es nicht grausam, dem armen
Volk an bestimmten Landstrichen oder Orten
solche Heimsuchungen vorauszusagen? Wird da-
durch nicht große Angst und Furcht verbreitet?
Dazu sei gesagt, daß der letzte Weltkrieg be-
wiesen hat, daß im größten Schlachtenwirbcl
und Bombenhagel vielen Soldaten und Zivilisten
kein Haar gekrümmt wurde, daß das Schicksal
jedes einzelnen Menschen in Gottes Hand liegt
und daß die Angst vor der Zukunft das Privileg
jener Menschen ist, die an keinen Gott glauben
und darum kein Gottvertrauen haben. Schließlich
könnte man die Frage auf werfen, ob denn der
Tod nicht das Tor aufstößt zu einem seligen
ewigen Leben, in dem es kein Leiden, keinen
Hunger, keine Angst, keinen Schmerz mehr gibt
für den, der zum Vater heimgeht.
Aus unzähligen Briefen habe ich entnommen, daß
mit Ausnahme von drei Zuschriften die kleine
Schrift das größte Interesse gefunden hat. Bis
von Afrika, Rotchina, Amerika, England, Irland,
den nordischen Ländern usw. habe ich Zuschriften
bekommen. Leider wurde das Büchlein auch in
der schamlosesten Weise ausgCstohlen. Ich habe
keinen einzigen der zahllosen literarischen Diebe
verfolgt. Ich stelle nur die Tatsache fest.
W as dem Brunnenbauer Irlmaier alles nachgesagt
wurde, grenzt an das Aschgraue. Daß aus seinem
kleinen Haus, das er sich aus dem Erlös seines
Handwerks mit eigener Hand baute, ein fürst-
licher Palast gemacht wurde, ist noch das We-
nigste. Der Mann hat sich verbittert vollständig
zurückgezogen. Wenn er die schäbige Gesinnung
so mancher seiner Kritiker hätte, wäre er längst
ein reicher Mann und kein kleiner Handwerker
inehr, der bei seinem Beruf oft genug das Leben
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riskieren muß. Trotzdem ist seine Gabe als Ruten-
gänger und als Hellseher eine Tatsache, die er
immer Mieder unter Beweis gestellt hat. Daß er
sich in der Zeitangabe irrte, liegt teils in seiner
Einfachheit, teils ist es das Schicksal aller Hell-
seher, die Gesichte auf eigene Faust zu deuten
suchen. Bei Gott ist kein Zeitbegriff sondern nur
das Ereignis.
Möge auch die 2. Auflage des Büchleins unserer
armen Generation nicht Furcht sondern Gott-
vertrauen einflößen, das ist der Zweck dieser
Schrift.
Traunstein, den 21. Januar 1955
Dr. Adlinaier
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Der Sefier
Dom 23attcnfct)cn s lBnlb
genannt
„M üfilfiiasl’’
Das, was hier von einem merkwürdigen Menschen
an der Wende des 18. Jahrhunderts erzählt wird,
stützt sich auf schriftliche und mündliche Ueber-
lieferung, auf die Ermittlungen, die einen Zeit-
raum von nahezu fünfzig Jahren umfassen und
daher schon vor Eintritt gewisser Ereignisse
niedergeschrieben waren. Denn nicht der Leich t-
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gläubigkeit oder dem Aberglauben soll Vorschub
geleistet werden, sondern einer heilsamen Furcht
\or Strafgerichten, die unabwendbar sind, wenn
die Menschheit die Wege weitergeht, die sie
seit einem Jahrhundert eingeschlagen hat. Was
hier an Prophezeiungen gemeldet wird, kannst
du lieber Leser, glauben oder nicht. Es ist auch
nicht gesagt, daß alles in Erfüllung gehen muß.
denn durch das Gebet frommer Seelen kann
viel abgewendet werden. Eines aber ist sicher
wahr: Es hat Menschen gegeben und es gibt auch
in der Gegenwart Menschen mit einer eigen-
tümlichen Gabe. Sie können durch innerliche
Schaumig die Grenzen von Raum und Zeit über-
b rucken, sie sehen Ereignisse, die sich zukünftig
abspielen werden, in plastischen Bildern, wie
wir etwa im Kino etwas anschauen. Das ist
keine Phantasie, sondern wissenschaftlich nach-
gewiesen.
Ein solcher Seher war der Mühlhiasl vom Baye-
rischen Wald. Heber ihn erzählt das Volk merk-
würdige Dinge, heute noch, nach über 100 Jahren,
eine Tatsache, die bei einem Besuch in seinem
Geburtsort Apoig, Pfarrei Hunderdorf, unweit
von Bogen, jeder selbst feststellen kann.
In schicksalsschweren Zeiten, wenn Not und Krieg
und Elend herrschen, da gräbt das Volk gern alte
W eissagungen und Sprüchlein aus, die von Mund
zu Mund gehen, verschwinden und wieder auf-
tauchen, manchmal niedergeschrieben werden und
„ l,n geprüft werden können. In einem alten
Meßbuch stand z. B. 1902 der lateinische Spruch:
„Quando Marcus Pascha dabit totus rnundus Vac
clamabit“ („Wenn Ostern auf den Markustag
fällt, schreit Wehe die ganze Welt!“). Im Jahre
1913 war es so weit, und 1914 schrie die Welt
auf im fürchterlichen Krieg. Oder jener Spruch:
„1911 ein Glutjahr, 1912 ein Flutjahr, 1913 ein
Blutjahr“, wobei allerdings auch erst 1914 der
Krieg mit seinen Blutopfern eintrat. Wer erinnert
sich nicht daran? Am meisten verbreitet waren
aber die Voraussagungen des Mühlhiasl, die teil-
weise schon in Erfüllung gegangen sind. Darum
wollen wir alles, was noch zu erfahren war, hier
festhalten.
Persönliches vom Mühlhiasl
In einer Abhandlung über diesen merkwürdigen
Mann, die der Pfarrer und Dekan zu Pinkofen
bei Eggmühl, Johann Ev. Landstorf er (gestorben
am 26. März 1949 in Oberaltaich im Alter von
66 Jahren), im Altöttinger Liebfrauenboten im
Juni 1923 veröffentlichte, wird zum, erstenmal
eine ausführliche Niederschrift sowohl über die
Person wie über die Voraussagungen des Sehers
vom Bayerwald gegeben. Nachforschungen in der
Pfarrei Hunderdorf ergaben, daß Pfarrer Lands-
torfer mit Recht den auf der Mühle in Apoig
am 16. September 1753 geborenen Müllerssohn
Mathias (Mathäus?) Lang als den Mühlhiasl bc-
zeichnete. Die Eintragung in der Matrikel der
Pfarrkirche in Hunderdorf lautet: „Am 16. Sep-
tember 1753 wurde getauft Mathäus, legitimer
Sohn des Mathias Lang, Müllers in Apoig. und
seiner Frau Anna Maria, geborener Iglberger von
Grub, Taufpate Georg ßayr von Buchberg. Die
Taufe spendete Pater Johann Nep. Altmann vom
Kloster Windberg.“ Heber Heirat und Tod ver-
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Die Mühle von Apoig
zeichnen die Kirchenbücher nichts. Das Bild von
der Mühle in Apoig zeigt die Geburtsstätte des
Mühlhiasl. Bei einem Besuch erzählte uns der
jetzige Müller, daß von dein Waldpropheten sei-
nerzeit, als er vertrieben wurde, eine Voraus-
sage auch für diese Mühle gemacht wurde. Er
sagte: „Auf dieser Mühle wird nie mehr ein
männlicher Erbe geboren werden.“ Seitdem sind
drei Müller in Apoig im Laufe von 150 Jahren
aufgezogen. Kinder gab es viele, aber keinen
einzigen Buben bis zum heutigen Tag. Pfarrer
Landstorf er war nach der dankenswerten Mit-
teilung des Expositus Georg Hofmann von
Schönau, der ein beachtenswerter Sammler aller
Quellen über den Mühlhiasl ist, ein Ercund des
ehrwürdigen greisen Pfarrers Johann Georg Mühl-
bauer. Dieser Priestergreis starb 1921 (18. Mai)
als Kommorant in Pinkofen im Alter von 93 Jah-
ren. Dessen Vater, der 97 Jahre alt wurde, soll
noch ein besonderer Freund des Mühlhiasl ge-
wesen sein. Von Pfarrer Mühlbauer erhielt Lands -
torfer nach seiner eigenen Aussage das Material
zu seinem Artikel im „Altöttinger Liebfrauen-
boten“. Die mündliche Tradition ist also lücken-
los. Daß bei diesen hochachtbaren Priestergreisen
kein Schwindel getrieben wurde, ist selbstver-
ständlich. An ihrer Glaubwürdigkeit ist nicht zu
zweifeln.
Schon als Kind soll der wahrscheinlich von
seinem Vater, der auch Mathias geheißen hat, als
Hiasl angesprochene Bub etwas „bsunderlich“ ge-
wesen sein, sonst aber war er ein heiterer, auf-
geschlossener Mensch, den Ehrenhaftigkeit und
Religiosität auszeichneten. Wahrscheinlich er-
lernte er das Müllerhandwerk und reiste später,
als er die väterliche Mühle wegen Nichtzahlung
der Stiftsgelder an das Kloster Windberg ver-
loren hatte, als sogenannter Mühlarzt im Lande
herum, d. h. er richtete und schärfte die Mühl-
steine und war beliebt und geachtet uud ein gern
gesehener Gast. Wo und wann er starb, ist
aktenmäßig nicht nachweisbar. In Hunderdorf
jedenfalls wurde er nicht begraben, da die Ma-
trikeln keinen diesbezüglichen Hinweis enthalten.
Eine unbestätigte Meinung geht dahin, daß er
um 1825 im Krankenhaus Straubing oder Deggen-
dorf starb und daß die Leiche dann zu seinem
Begräbnisort auf einem offenen Wagen über Land
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gefahren wurde. Was sich dabei ereignete, wer-
den wir später hören.
Zur Charakteristik des Mühlhiasl schrieb Pfarrer
Landstorfer folgendes:
„Die Persönlichkeit des Mühlhiasl, wie sie sich
spiegelt in eigenen Aeußerungen wie in fremden
Schilderungen, ergibt das Bild eines ausgesproche-
nen Originals, eines seltsamen, eigenartigen, ge-
mütstiefen und treuherzigen Sonderlings. Kern-
haften Glaubens und ernster Lebensauffassung,
war er überall daheim, überall wohlgelitten, nir-
gends vergessend, den Leuten fleißig von der Zu-
kunft zu erzählen. Ob er fischt im Eglseer
Weiher, ob er im breiten Miihlwasser von Apoig
im Kahn die frohe Jugend spazieren fuhr, ob er
von Bergeshöhen über Landstrecken dahinschautc,
überall fühlte er sich gedrängt, eben im Zusam-
menhang mit dem jeweiligen Standort von den
kommenden Zeiten zu plaudern und die zukünf-
tige Gestaltung der Landschaft und des Volks-
lebens zu beschreiben.“
Nach anderen Mitteilungen soll der Mühlhiasl
seine Prophezeiungen in Versform zur Gitarre ge-
sungen haben, doch ist das wenig wahrscheinlich.
Außerdem soll eine lateinische Handschrift exi-
stieren, die aber aus Furcht vor der nationalsozia-
listischen Verfolgung verschwunden ist. In dieser
Handschrift, die wahrscheinlich von einem Prä-
monstratenser des Klosters Windberg verfaßt
wurde, soll .ein Großteil der Voraussagen nieder-
gelegt sein. Leider ist dieses wichtige Dokument
nicht auffindbar und befindet sich in Privathand
oder ging während des zweiten Weltkrieges ver-
loren.
Der Doppelgänger Matthias Stormberger
von Rabenstein
Ernst v. Wolzogen veröffentlichte im „Berliner
Tagblatt“ vom 1. Dezember 1931 einen Artikel:
„Die Verkündigung des Waldhirten“, w'obei er
sich auf den Schriftsteller Schrönghamer-Heiin-
dahl berief. Nach ihm hieß der Waldprophet
angeblich Matthias Stormberger (vermutlich
mundartlich „Starnberger“), der 1750 bis 1760
als heimat- und elternloser Bursch in dem Dorf
Rabenstein bei Zwiesel auf tauchte. Dies ist ent-
weder eine Verwechslung mit irgendeinem Hir-
ten jener Gegend oder falsch berichtet, denn die
jenem Stormberger in den Mund gelegten Vor-
aussagen decken sich fast völlig mit den Weis-
sagungen des Mühlhiasl.“
Wir sind auch dieser Sache gründlich nach-
gegangen. Es stellte sich heraus, daß der Exkon-
ventuale von Windberg. Pater Blasius Pfeiffer,
nach der Säkularisation des Prämonstratenser-
klosters Windberg als Schloßbenefiziat nach
Rabenstein ging und dort am 17. März 1828 ge-
storben ist. Dies teilt der Familienforscher Ex-
positus Hofmann mit. Derselbe ist auch der
Leberzeugung, daß P. Blasius die Prophezeiungen
des Mühlhiasl genau kannte, daß er sie nieder-
schrieb, aber, um den noch lebenden Wald-
propheten nicht nennen zu müssen, den Hirten
von Rabenstein erfunden hat. Es handelt sich
also hier lediglich um ein Pseudonym, der Seher
von Rabenstein, „Stormberger“, und der Mühl-
hiasl sind identisch. So ist auch diese strittige
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Sache geklärt, wie auch ein neuerer Forscher,
P. Norbert Backmund, ein belgischer Prämonstra-
tenser, der gleichen Anschauung ist.
Die Vorausgesichte des Mühlhiasl
W as hat nun der Seher von Apoig prophezeit?
Das wollen wir im Nachfolgenden genau , nach den
alten Schriften und der hundertfachen mündlichen
Ueberlieferung unseren Lesern bekanntgeben.
Mit verblüffender Genauigkeit sagte er Dinge
voraus, von denen man zu seiner Zeit, in der
W ende zwischen 1790 bis 1820, keine Ahnung
haben konnte. Es gab damals keine Dampf-
maschine, keine Elektrizität, keine Eisenbahn,
kein Fahrrad, kein Auto, kein Vlugzeug. Und doch
hat der Iliasl solche Dinge klar erkannt und vor-
ausgesagt. Wir wollen seine Gesichte in vier Ab-
teilungen gliedern, und zwar:
1. Ihn selbst und seine Bekannten betreffend.
2. Politische und sachliche Umstände vor der
großen Katastrophe.
3. Die Weltkriege.
4. Der Bankabräumcr und hernach.
Persönliche Voraussagungen
Obwohl der Mühlhiasl überall beliebt war, kam
er doch mit den Prämonstratensern des „Klosters
Windberg in Konflikt. Die Mühle von Apoig
mußte an das Kloster das Stiftgeld zahlen und
der Iliasl kam damit in Verzug. Durch schlech-
tes Getreide und damit schlechtes Mehl waren
bald Schwierigkeiten da. Nach öfteren Mahnungen
kam der Bescheid des Klosters, der Mühlhiasl
wurde „abgestiftet“, d. h. die Mühle an einen
anderen Müller vergeben. Im Jahre 1803 verbot
der Prior dem Müller, der Einspruch erheben
wollte, das Betreten des Klosterhofes. Da sagte
der Seher: „Grad so wie ihr mich heute hinaus-
lut, tun sie euch selber hinaus. Ich kann gehen,
ihr aber müßt’s laufen. Ich darf wieder herein,
ihr aber dürft nicht mehr herein. Zu den Fen-
stern schauen Weiber und Kinder heraus und
Brennesseln wachsen im Kloster.“ Sechs Wochen
nach diesem Vorfall traf der Befehl der Säku-
larisation im Kloster ein. Als die Mönche diesem
Befehl nicht Folge leisteten, kam eine Exekutiv-
kommission, die die Prämonstratenser zwang,
Hals über Kopf das Kloster zu verlassen. So bru-
tal ging diese Kommission vor, daß zwei Patres,
die im Bach zu Gaishausen gefischt hatten, kei-
nen Fuß mehr über die Schwelle des Klosters
setzen durften, um wenigstens noch ihre ^Kleider
holen zu können. Das war am 1. April 1803.
Fleute ist ein Teil des Klosters wieder im Ge-
brauch des Prämonstratenserordens, aber die Wei-
ber und Kinder schauen auch jetzt noch aus den
Fenstern, weil viele Flüchtlinge dort einquartiert
worden sind.
In Großlindatji, einem kleinen Ort der Pfarrei
1 Funderdorf, redete der Mühlhiasl einmal mit
dem alten Bognervater vom kommenden grollen
Krieg. Während des Gesprächs zupfte und knetete
der Iliasl in freundlicher Neckerei das Olir des
dabeistehenden Enkels des Bognervaters. Dabei
fing der Kleine zu weinen an. Da tröstete ihn
der Seher mit der Versicherung: „Woan net,
Büabei, du bist beim großen Kriag net dabei,
deine Buam auch 'net, aber dene ihre Buam
kommen gwiß dazu.“ Dabei meinte der Mühl-
hiasl den ersten Weltkrieg, von dem er gesagt
batte: „Der FCloane fangt’n an, der Große übern
Wasser macht’n aus.“ Uebrigens waren die Bog-
nersöhne, die Enkel jenes weinenden Knaben, alle
im ersten Weltkrieg eingerückt.
„Ich komme euch als Toter noch aus!“
Uebcr sich selbst machte der Hellseher noch eine .
grausige Vorhersage. Er meinte lachend: „Wenn
i amoi gstorbn bin, kitnm i euch doch noch ein-
mal aus.“ Nach der Erzählung des Priestergreises |
Dr. Ebner, dessen Vater den Iliasl noch persön-
lich kannte, starb der Mühlhiasl als betagter
Mann im Jahre 1825 im Krankenhaus zu Strau-
bing. Mit einem Ochsengespann auf offenem
Wagen wurde die Leiche im Sarg über Land ge-
fahren, um zur Beerdigung abgeliefert zu wer- !
den. Bei einer Straßenbiegung, an der eine steile
Böschung war, scheuten die Ochsen, ein Rad !
brach, der Wagen kippte um, so daß der Sarg
die Böschung hinunterkollerte. Dabei ging der
Deckel auf und der Leichnam flog heraus. Der
entsetzte Fuhrmann sprang der Leiche nach, so
daß es aussah, als ob er den Toten fangen wollte. !
So ging auch diese Voraussage in Erfüllung. Nach I
anderen Mitteilungen knüpfte der Mühlhiasl an
diese Prophezeiung den Satz: „Glauben tut’s es
mir ja doch nicht, was ich euch Voraussage.
Darum werde ich euch noch als Toter ein Zeichen ' fl
geben, das ihr nicht übersehen werdet.“ Die I
Sitte übrigens, die Toten mit einem Ochsen-
gespann auf einem sogenannten Brückenwagen,
der mit Stroh ausgelegt war, über Land zu fah-
ren, ist historisch beglaubigt.
Der eiserne Wolf und das unfertige Haus
Bedeutungsvoller waren die Prophezeiungen des
Mühlhiasl über zukünftige Zustände in Politik,
\\ irtschaft, Sitten, Kleidern usw. So sagte er z. B.
die Eisenbahn genau voraus. In Apoig, Station
llunderdorf der Strecke Bogen — Cham, bezeich-
nte er auf den Meter den nachmaligen Verlauf
der Schienen und zeigte mit seinem Stecken, wie
weit sie dem Schötz (jetzt Blasini) in den Gar-
ten hineinschneiden werden. „Bis daher und net
weiter!“ Seine Vorhersage ist genau eingetroffen.
Lintach, eine stundenweit ausgedehnte Kolonie
mit zerstreuten Häusern, war um 1800 wieder
ganz mit Wald bestanden und schwach besie-
delt. Der Iliasl behauptete, die Leute und die
Häuser würden recht viel werden, in Lintach
wird alles voll Häuser und Lehmhütten „an-
gschlöttet“ (angebaut), aber nachher wachsen ein-
mal Brennessel und Brombeerdörn zum Fenster
heraus. Ob die Zeit nicht jetzt, in dieser Woh-
nungsnot, erfüllt ist?
„In der Stadt“, sagte der Seher weiter, „hamnis
Häuser, fünf- und sechsstöckig, überall bauens
Häuser, Häuser wia d’ Schlösser und Pfarrhöf
und Schulhäuser wia Paläste.“ Dabei lachte er
schalkhaft und fügte hinzu: „Für d" Soldaten!"
Tatsache ist, daß sowohl im ersten und zweiten
Krieg sowie hernach gerade die Schulhäuser für
Militär und Besatzungstruppen beschlagnahmt
wurden.
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Im Umhergehen zeigte der IliasI viele Orte,
zeichnete den Grundriß mit dem Stecken an: „Da
kimmt a Haus her!“ Am ehemaligen Weiher zu
Eglsee fischend, steckte er ein Viereck mit klei-
nen Steckerin ab und sagte: „So bauens das Haus
her.“ Dieses Haus wurde tatsächlich genau an
dem Platz gebaut und ist heute noch zu sehen.
Eigentümlich und zutreffend war auch seine
merkwürdige Prophezeiung an einem Platz zwi-
schen Hunderdorf und Au: „Da werd a Haus
baut, werd aber zerscht net ausbaut, wenns glei
scho lang baut is.“ Tatsächlich stand dort ein
einstöckiges Haus „Breitfeld“ genannt, lange Zeit
sind die Balken für eine Altane weggestanden.
Das gab dem Haus ein unfertiges Aussehen. An-
geblich soll der Mühlhiasl auch noch von Sicd-
lungsbautcn gesprochen haben, die wie Pilze oder
Immenstöcke aussehen, ebenso hat er den großen
Saalbau in Passau vorausgesehen (Nibclungen-
lialle). Doch kann dies nicht urkundlich belegt
werden.
Der 1. Weltkrieg, vorher und nachher
Den ersten Weltkrieg hat der Seher vom Baye-
rischen Wald auf den Tag genau vorhergesagt.
Die Prophezeiung lautete: „An dem Tag, an
dem zum ersten Mal der eiserne Wolf auf
dem eisernen Weg durch den Vorwald bellen
wird, an dem Tag wird der große Weltkrieg an-
heben.“ Und was geschah? Am 1. August 1914
wurde die Eisenbahn von Kaltenegg nach Deggen-
dorf eröffnet, die mitten durch den Vorwald
führt. Am 2. August fuhren die Einberufenen
jener Gegend mit der neuen Eisenbahn in die
Kasernen. — Eine zweite Voraussage sagte: Wenn
die silbernen Fisch (nach anderer Lesart der
große weiße Vogel) über den Wald kommen,
stehts nimmer lang an. Als der Zeppelin über
den Bayerwald flog, war es kurz vor Ausbruch
des Krieges 1914. Ebenso sah der IliasI auf der
Donau die Dampfschiffe, die er als eiserne Hunde
oder eiserne Hexen bezeichnete.
Auf dem Fußweg von Oberaltaich nach Ilunder-
dorf gibt es eine Stelle oben auf der Höhe der
KlcinUntacher Berge beim Holz- Berti, wo man
einen prächtigen Ausblick hat auf das Donautal
und den Gäuboden von Plattling bis Regensburg.
Hier stand vor mehr als 130 Jahren der Mühl-
hiasl und brachte die Passauer Bahn und die
Waldbahn in seine Gesichte. Er sagt: „Wenn die
eiserne Straß von Passau heraufgeht, wenn die
eiserne Straß über die Donau herüberkommt
und ins Böhm hineinläuft, wenn der eiserne Hund
die Donau heraufbellt, wenn die Wagen ohne Roß
und Deichsel fahren, wenn die meisten Leut mit
Zweiradl-Karren fahren, so schnell, daß koa Roß
und koa Hund mitlaufen kann, nachher stehts
nimmer lang an!“
Die Zeitläufte haben dem schlichten Hiasl nur
allzusehr recht gegeben. Der erste Weltkrieg
brach an und mit ihm erfüllte sich auch anderes.
3. Die Weltkriege und was dazwischen liegt
W ir haben schon beim Eisenbahnbau von Kal-
tenegg nach Deggendorf darauf hingewiesen, wie
der Mühlhiasl den ersten Weltkrieg auf den Tag
genau vorhersagte. Ebenso deutlich schilderte er
13
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aber auch die Zeit zwischen 1914-18 und 1945.
Scharfe Schlaglichter fallen z. ß. durch seine Pro-
phezeiungen auf die Inflation. Er sagte:
„ ? s Gold geht zu Eisen und Stahl.“ Damals im
ersten Weltkrieg wurde mit eisernen Uhrketten
belohnt, wer seine goldene darangab. „Gold gab
ich für Eisen!" Jeder Soldat bekam für ein Gold-
stück drei Tage Urlaub von der Front. Im Baye-
rischen Wald gab es Geistliche, die im Hinblick
auf die Voraussagungen des Mühlhiasl die Leute
von der Kanzel herunter gewarnt haben, das Gold
an die Reichsbank abzuliefern.
..L 7 m ein Goldstück kann man einen Bauernhof
kaufen“, ist eine andere Wahrsagung. Tatsächlich
wurde ein Bauernhof bei Freilassing in der In-
flationszeit um den Preis von einem Goldstück
erworben. „Um 200 Gulden kannst dir kein Brot
kaufen — de große Not kimmt — da Hochwald
werd auschaugn wia an Bettlmo sei Rock (infolge
gewaltiger Abholzungen), ’s Holz werd so teuer
wie Zucker (andere Lesart: aus Holz werd
Zucker?). Einerlei Geld kommt auf“ (damals
gab es in Deutschland ein halbes Dutzend Wäh-
rungen). Dann die verblüffende Weissagung:
„Geld wird gemacht, so vui, daß mans nimmer
kenna kann“, und mit geheimnisvoll-hämischem
Lächeln betonte er: „Wenns gleich lauter Papier-
flankcn sind, kriegen die Leut noch nicht genug !
daran. Auf einmal gibts keins mehr!“ Kann man ;
die Inflation genauer Voraussagen? Wohl kaum. I
Und welch treffende Voraussage machte der Hiasl
in bezug auf das Geld, das während des zweiten
Weltkrieges herauskam. Auf den 1944 erschiene-'
nen Zwanzigmarkscheinen ist eine Zeichnung als J
20
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Das Geld mit der Fledermaus (siehe im Viereck)
Verzierung der Initiale 2 mit einer mehr als
merkwürdigen Basis. Diesen Schein sah der Fliasl
voraus und sagte: „Vor dem Weltabräumcn
kommt ein neues Geld auf mit der Fledermaus
drauf, de laßt d’ Flitschn (die Flügel) recht trau-
rig hänga.“ Tatsächlich ist die Fledermaus mit
den hängenden Flügeln einwandfrei zu erkennen,
so einwandfrei, daß die Leute 1944 trotz des
damals herrschenden Terrors der Regierung laut
überall sagten: „Jetzt is dem Miihlhiasl seine Pro-
phezeiung eingetroffen, das Geld mit der Fleder-
maus ist da.“
Ueber die Kleidersitten
machte der Prophet aus dem Bayerwald auch
interessante Voraussagen. „Wenn sich die Bauern-1
leut gewanden wia die Städtischen und die
Städtischen wia d’ Narren (andere Lesart: wia d”
Affen), wenns auf den Straßen wia schneeweiße
Gäns daherkemman (weiße Frauenkleider mit
roten Schuhen oder braunen), wenn d’ Rabenköpf
kemman (Frauen mit abgeschnittenen Haaren,
mit Kopftücheln, wie sie jetzt vom Osten herein
Mode sind), wenn d’ Mannerleut rote und weiße
ifiiat aufsetzen, wenn d’ Leut rote Schuh tragen,
wenn die Bauern mit gewichste Stiefel in der
Miststatt drinnen stehen, wenn die Weiber Hosen
und Stiefel anziehen und d’ Männer weibisch
gewandet sind (ist alles eingetroffen), dann is nim-
mer weit hin.“ — Mit einem einzigen Blick auf
die Kleidung der heutigen Frauenwelt wird jeder
Leser bestätigen, daß gerade genug „Damen“ in
Männerhosen daherstelzen, ja, daß sogar die
lederne Trachtenhose von einigen ganz Extra-
vaganten bevorzugt wird. In den sogenannten
mondänen Kurorten laufen die \\ eiber in drei-
viertellangen Hosen auf der Promenade herum.
Was die „Rabenköpfe“ anbelangt, so ist das Bild
außerordentlich treffend. Als der Krieg 194Ö zu
Ende war, tauchten überall die kurzen schwarzen
Kopftüchlein der Balkan- und östlichen Stämme
auf und fanden in kurzgestutzten Zierden der
Bubiköpfe ihren Eingang in die heimische Mode.
W as der Seher voraussah, ist eingetreten bis zum
heutigen Tag.
Der g'strenge Herr und der Glaube
Verblüffend sind die Prophezeiungen des Miihl-
hiasl über die Zeit von 1933 bis 1945. Mit einer
erschreckenden Deutlichkeit wird das Regiment
des „Tausendjährigen Reiches“ vorausgesagt. Zu-
erst kommt eine gute Zeit für die Bauern.
„Wenn die Leut nix mehr tun als fressen und
saufen, schlemmen und dämmen, wenn auch
Bauernleut lauter' Kuchen fressen, wenn Bauern-
leut d’ Henndl und Gäns selber fressen — wenn
Bauernleut alle Awanter (Grenzraine) umackern
und alle Stauern (Hecken) aushauen — wenn
Bauern alle politisieren — nachher is die
Zeit da.“
„Gesetze und Steuern machens, die Herren, aber
keiner kanns zahlen und kümmert sich mehr
drum. Vieles wird ausgemacht, aber nimmer
durchgführt.“
„Dann kommt noch a gstrenger Herr, der ziagt
enk ’s Hemd übern Kopf ab und d' Haut auch
noch. De Kloan wern groß und de Großn wem
kloa. Aber es dauert nicht lang.“
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23
Ueber religiöse und kulturelle Zustande sagte
der Scher vom Bayerwald folgendes:
„Zuerst kommen die vielen Jubiläen (Jubiläums-
jahr), überall wird über den Glauben predigt,
überall sind Missionen — kein Mensch kehrt sich
mehr dran, d’ Leut werden recht schlecht —
d Religion wird noch so klein, daß mans in einen
Hut hineinbringt — der Glauben wird so dünn,
daß man ihn mit der Geißel abhauen kann — -
der Glauben wird so wenig, daß man ihn mit
einem Geißelschnalzer vertreiben kann — über
’n katholischen Glauben spotten am ärgsten die
eigenen Christen. Das Kreuz werden sie aus dem
Herrgottswinkel reißen und in den Kasten hin-
cinspcrren“ (beim Fenster nausschmeißen). —
Lieber Leser, erinnerst du dich an die Zeit,
als die Kruzifixe aus den Schulen entfernt und
manchmal beim Fenster hinuntergeworfen wur-
den? Und wer hat am ärgsten über die Kirche
und den Glauben losgezogen?
Die Voraussage über den Beginn des zweiten
Weltkrieges
Fast auf den Tag stimmend sind zwei Voraus-
sagungen des Mühlhiasl für den Beginn des
zweiten Weltkrieges. Die eine betrifft einen
Brückenbau, die andere eine so merkwürdige und
frappante Tatsache, daß man aus dem Staunen
nicht herauskommt. Kein Wunder, daß der Hiasl
zu seiner Zeit herzhaft ausgelacht und als „spin-
nend“ erklärt wurde. Ileut lacht keiner mehr
darüber. Er erklärte: „Wenns in Straubing über
die Donau die große Brücke bauen, so wird»
24
fertig, aber nimmer ganz, dann gchts los. —
Hier die Tatsache. Die Donaubrücke in Strau-
bing war 1939 bis auf die Betondecke fertig,
als im September der zweite Weltkrieg aus-
brach. Die zweite Weissagung lautete:
„Auf’n Kirchturm in Zwiesel werd a Baum wach-
sen. Wenn der Baum so lang is wia a Fahnen-
schaft, dann is die Zeit da.“ — Der Kranken -
hausbenefiziat Goderbauer (-{* 1948) reiste im
Jahre 1944 eigens nach Zwiesel, um den Baum,
eine Linde, die tatsächlich auf dem Turmvorbau
in Zwiesel etwa zwei Meter hoch gewachsen war,
zu besichtigen. Ein Polizist wies die vielen Neu-
gierigen, die natürlich die Prophezeiung des
Mühlhiasl kannten, an, weiterzugehen, da cs der
Regierung damals sehr unangenehm war, wenn
eine solche Weissagung in Erfüllung ging. Als sie
so hoch war wie ein Fahnenschaft (zirka zwei
Meter), brach der zweite Weltkrieg aus. Diese
schicksalhafte Linde' wurde dann 1946 oder 1947
heruntergenommen, aber anderswo eingepflanzt.
Sie blühte wenigstens 1947 noch.
Der Bankabriiumcr und seine Vorzeichen
„Nach dem Krieg meint man, Ruh ist’s, ist aber
keine. Die hohen Herren sitzen zusammen und
machen die Steuern und Gsetzer aus. Nachher
stehts Volk auf. Bals angeht, ist einer über den
andern. Raufen tut alles, wer ebbas hat, dein
wirds gnommen, in jedem Haus ist Krieg, kein
Mensch kann mehr dem andern helfen. Die rei-
chen und noblen Leut werden umbracht, wer
feine Hände hat, wird totgeschlagen. Der Stadt-
herr lauft zum Bauern aufs Feld und sagt: ,Laß
mich ackern! 4 Der Bauer erschlagt ihn mit dein
Pflugraitcl. Die Bauern werden ihre Häuser mit
hohen Zäunen umgeben und aus den Fenstern auf
die Leut (Plünderer?) schießen. Kein Mensch
wird den andern mehr mögen, jeder wird einen
anderen Kopf haben (Parteistreitigkeiten). Die
Kleinen werden wieder groß. Wenn aber der
Bettelmann aufs Roß kommt, kann ihn der Teu-
fel nimmer dereiten. In der großen Not holen
die Leut auch den Herrgott wieder aus dem
Kasten, wo sie ihn eingesperrt haben, und hän-
gen ihn recht fromm auf, aber jetzt hilfts nim-
mer viel.“
Wenn wir die Vorgänge in Ostdeutschland und
den Sowjetstaaten betrachten, dann erübrigt sich
jeder Kommentar zu den oben niedergelegten
Voraussagungen des Mühlhiasl. Denn sie sind dort
teilweise schon buchstäblich eingetreten. Ob sic
bei uns als (bolschewistische) Klassenkämpfe noch
kommen, wird die Zukunft lehren.
Als weiteres Vorzeichen der großen Katastrophe
nannte der Seher vom Bayerischen Wald einen
Straßenbau von Straubing bis Pilmersberg (Pil-
gramsberg). Als der Hiasl diese Prophezeiung
machte, wurde er natürlich wieder ausgelacht,
denn die Gegend war damals so unwirtlich, daß
der alte Weiherbauer erklärte: „Wenn ich alles
glaub, was der Mühlhiasl sagt, so glaub ich net,
daß da a Straß baut werd.“ Nun, die Straße
Straubing — Stallwang — Cham wurde gebaut und
sic ist es, von der der Seher sagte: „Auf der
Straß kommen sie einmal heraus, die Rotjankcrl.“
Seine Zeitgenossen aber hänselten den Hiasl und
fragten spöttisch: Kommen etwa die Franzosen
da heraus, worauf der Waldprophet ohne Zögern
sagte: „Nein, Franzosen sinds nicht, rote Hosen
liaDcns auch nicht an, aber die Roten sinds!" .
Die Straße Cham — Straubing wird also noch eine
Bedeutung bekommen. Heute nach bald 150 Jahren
wissen wir besser, wer die „Roten“ sein werden,
die hereinmarschieren wollen in das Land, und
heute wird niemand mehr an die Franzosen den-
ken, wir wissen es, wer die „Roten“ sind.
Eine andere Voraussage bezieht sich auf klima-
tische Vorgänge. Es sollen kurze Sommer kom-
men, Winter und Sommer wird man nicht mehr
auseinanderkennen (weil der Winter so warm
und der Sommer so kalt sein wird).
Ferner behauptet der Seher: „Wenn alles baut,
nix wie baut wird, überall wird gebaut, ganze
Reihen wern baut, wia d’ Impenstöck bauns cs
hin, laue: Ro'dachl-Häuser (Dächer mit Ziegel-
platten), der Gäuboden prangt mit lauter schnee-
weiße Häuser, d’ Leut richten sich ein, als obs
nimmer fort wollten, aber dann wird abgräumt.“
Zu dieser Voraussage ist ebenfalls jeder Kommen-
tar überflüssig. Auf Grund der Kriegszerstörungen
muß ja überall gebaut werden. Welche „Gebäude"
in der Not der Zeit errichtet werden, kann man
überall beobachten. Der Vergleich mit einem
Bienenkorb ist vielleicht der damaligen Form
nach nicht ganz zutreffend, heute aber wissen
wir, daß Einzimmerhäuschen keine Seltenheit
mehr sind, Barackenstil, Hütte an Hütte. Und wie
merkwürdig ist der Satz: „Die Leut richten sich
so ein, als obs gar nimmer fort möchten.“ Sollten
da jene ungezählten Scharen gemeint sein, die
in der Zeit des zweiten Weltkrieges und nachher
26
27
hereinflutcten? Oder die Evakuierten? Oder aber
die Einheimischen selbst, die meinen, kein \Y ölk-
lein trübe mehr ihren Himmel?
„Als weithin sichtbare Mahnung aber erseheint
am Himmel ein Zeichen." Etwas Näheres hat der
Mühlhiasl darüber nicht gesagt. Tatsache ist, daß
Tausende von gläubigen und ungläubigen Zu-
schauern bei den Vorgängen in Fatiraa eine
Himmelserscheinung beobachten konnten, die hi-
storisch einwandfrei beglaubigt ist. Logiseberweise
kann man jedoch annehmen, daß dieses Malin-
und W arnungszeichen des Mühlhiasl auch in un-
serer Gegend klar und deutlich zu sehen sein
wird, da es ja sonst seinen Zweck verfehlen
würde.
Der Bankabräumer
Nach den schweren Klassen- oder Parteikämpfen
und dem ersten und zweiten Weltkrieg kommt der
„Bankabräumer“. Damit wird wohl der schwerste
Blutzoll, den unser Land zu zahlen hat, gemeint
sein. Zuerst fluten auf der Straße von Cham nach
Straubing die roten Massen herein. Da gibt der
Hiasl nun seinen engsten Landsleuten den Bat:
„Wenn sie kommen, muß man davonlaüfen was
man kann, und als Mundvorrat Brot mitnehmen.
Wer drei Laib Brot dabei hat und beim Laufen
einen verliert, darf sieb nicht bücken darum,
so muß es schlaun (so eilig ist es). Auch wenn
man den zweiten verliert, muß man ihn auch
hintlassn, denn man kanns auch mit einem Laib
aushalten (ohne zu verhungern), weil es nicht
lange dauern wird.“ (Panzer fahren schnell!) Als
Versteck empfahl der Iliasl je nach der Gegend
verschiedene Plätze, zum Beispiel für Mittersfeld
die großen Wälder im Perlbuchtal und die Sen-
kungen beim Buchberg, für Englmar die Käs-
platte, für Bodenmais die Bergwerke, für den
waldlosen Gäuboden die Weizenmanndln auf dem
Felde. Damit ist für den Zeitpunkt dieses Ge-
schehens sogar die Jahreszeit, nämlich der aus-
gehende Hochsommer, angedeutet, die Zeit des
Weizenschnittes im Gäuboden.
„Das Bühmland wird mit dem eisernen Besen aus-
kehrt. Das ßaycrland wird verheert und verzehrt
von seinem eigenen Herrn — am längsten wirds
stehen, am schlechtesten wirds ihm gehen.“ —
Ob diese Prophezeiung nicht schon teilweise er-
füllt ist, kann nicht bestimmt gesagt werden. Man
könnntc es schon auf die heutige Zeit dahin
deuten, daß Böhmen mit Gewalt (mit dem eiser-
nen Besen) ausgekehrt, das heißt, daß die deut-
schen Siedler in Böhmen ausgetrieben wurden.
Daß Bayern von seinem eigenen Herrn verheert
und verzehrt wurde, erinnert an die letzten
Sprengungen im Kriegsjahr 1.944 und Anfang 1945,
als in sinnloser Weise von den eigenen Truppen
Sprengungen riesigen Ausmaßes vorgenommen
wurden. Die Aushungerung bedarf keiner weiteren
Erwähnung, da sie noch in aller Gedächtnis ist.
Es ist aber ebenso wahrscheinlich, daß diese Zeit
erst kommen wird mit der Katastrophe, die der
Seher zwar ankündigt, aber nicht genauer be-
schrieben hat. Er spricht nur davon, wie es hcr-
nach ausschaut. Hören wir seine Voraussage:
„Wcrs überlebt, muß einen eisernen Schädel
haben. In einer Nacht wird alles geschehen.“ Wir
Menschen des Zeitalters der Atombombe finden
29
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die Prophezeiungen des Mühlhiasl sicher nicht
mehr als Phantastereien wie seine Altersgenossen
um das Jahr 1800 herum, wir wissen, daß cs
kein Kunststück mehr sein wird, ganze Land-
striche mit Mann und Maus zu vernichten.
Nach der Katastrophe
„Die Wenigen, die übrig bleiben, werden sich
schutzsuchend aus der ganzen Umgebung inner-
halb der Windberger Klostermauern sammeln.“ —
,.D' Leut sind wenig — grüßen tuns wieder: Ge-
lobt sei Jesus Christus, und einer sagt zum an-
dern: Grüß di Gott, Bruder, grüß di Gott Schwe-
ster! Auf d’ Nacht schaut einer vom Berg über
den Wald hin und sieht kein einziges Licht mehr.
Wenn einer in der Dämmerung eine Kranawitt-
stauden sieht, geht er darauf zu- um zu sehen,
obs nicht ein Mensch ist, so wenig gibts noch.“
Ein Fuhrmann haut mit der Geißel aufn Boden
und sagt: „Da is einmal d’ Straubinger Stadt
gstandn.“
„Wenn man am Donaustrand und im Gäuboden
noch eine Kuh findet, der muß man eine silberne
Glocke umhängen. Einem Roß aber soll man
goldene Hufeisen hinaufschlagen, so rar ist alles.“
— Und wie überzeugend ist das kurze Wort:
„Im Wald drinnen krähen noch Gockerl.“
Wenn dieser Bankabräumer vorbei gegangen ist,
dann kommt eine schöne Zeit für die, welche
die Katastrophe überlebt haben. Jenseits der
Donau wird alles wüst und öd geworden sein
und jeder kann sich ansiedeln, wo er mag, und
so viel Grund nehmen, als er bewirtschaften
kann.
30
„Es werden dann auch große Glaubensprcdigcr
aufstehen und heilige Männer werden Wunder
tun. Die Leute haben wieder den Glauben und
cs wird eine lange Fricdenszcit kommen.“
Eine merkwürdige Voraussage sei noch erwähnt,
die der Mühlhiasl seinen Freunden oft machte:
„Wenn der Bankabräumer dagewesen is, wern
auch die bösen Geister und die die waizen (um-
gehen, spuken), gebannt werden.“ Dies ist eine
allgemeine Volksanschauung, die sich auf das
Schlußgebet der hl. Messe und den großen Exor-
zismus Leos XIII. stützt.
Schließlich sei noch ein Wort des biederen Sehers
von Apoig mitgeteilt, das der Mühlhiasl denen,
die ihn auslachten, sehr ernst und nachhaltig
cntgcgenhielt: „Lachts nur, ihr brauchts cs ja
net aushalten, aber enkerc Kindeskinder und de
wo danach kemman, die werns schon glauben —
müaßn. Teats betn, daß der Herrgott auf Bitten
unserer Haben Frau ’s Unglück abwendt, mir
glaubts ja neambd und doch is wahr!“
*
Was hier niedergeschrieben ist, wurde in jahr-
zehntelanger Sammlung einzelner Aussprüche des
Mühlhiasl wie ein Mosaikbild zusammengcstcllt.
Viele mündliche Ueberlieferungen von anerkannt
vertrauenswürdigen Leuten, besonders ehrwüdiger
Priestergreise, konnten glücklicherweise aufge-
zeichnet und damit der Nachwelt erhalten werden.
Zu seiner Zeit wurde der Mühlhiasl von seinen
Mitbürgern verlacht und verspottet. Wie er es
vorausgesagt hat, ist uns das Lachen in zwei
Weltkriegen, zwei Inflationen und einem „tausend-
31
jährigen“ Reich vergangen. Auch heule will man
seine Gesichte wieder „erklären“ und als Hirn-
gespinste abtun. Manches soll später erfunden und
dazu gemacht worden sein. Aber die Hauptsachen
sind seit 50 Jahren bereits in meinem Archiv
niedergeschrieben. Die letzte Katastrophe steht
uns noch bevor. Ob und wann sie kommt, das
weiß nur Gott allein. Wenn uns etwas zur War-
nung dienen kann, dann ist es die Entwicklung
der Technik und der tödlichen Atomwaffen. Aber
ebenso die düsteren Gesichte von jenen Männern,
die die „Gabe“ haben und darüber oft selbst am
unglücklichsten sind. Glauben brauchts niemand,
wer nicht will, aber spotten soll keiner, denn fast
alles ist so gekommen, wie es der Mühlhiasl vor
150 Jahren verkündet hat.
Der „spinnende" Kriegsgefangene
Ein Leser (Klosterpater B.) der 1. Auflage dieses
Büchleins schickte uns zwei Feldpostbriefe vom
August 1914, also vom ersten Monat des 1. Welt-
krieges. Das, was hier von einem bayerischen
Soldaten R. (der Name ist dem Verfasser be-
kannt) über einen französischen Zivilisten, der
südlich von Metz gefangen wurde, gesell ricDen
ist, dünkt es uns wert, der Nachwelt erhalten
zu werden. Der Franzose, den der Briefschreiber
als „spinnet“ bezeichnete, sagte auf Befragen:
„Wenn ihr wüßtet, was die Zukunft bringt,
würdet ihr große Augen machen, ihr würdet heute
noch die Gewehre wegwerfen. Der Krieg ist für
Deutschland verloren. Dann kommt eine Revo-
lution, aber sie kommt nicht recht zum Aus-
bruch, denn einer geht und der andere kommt.
Reich werdet ihr alle, alle werden Millionäre, und
so viel Geld gibts, daß man es beim Fenster
herauswirft und klaubts niemand mehr auf. Der
Krieg aber geht unter der Fuchtel weiter und
es geht den Leuten nicht schlecht, aber sie sind
nicht zufrieden. Vor dem Antichrist kommt ein
Mann aus der niederen Stufe und der macht
alles gleich in Deutschland und die Leute haben
nichts mehr zu reden und zwar mit einer Strenge,
daß es uns das Wasser aus allen Fugen heraus-
treibt. Der nimmt den Leuten mehr als er gibt
und straft die Leut entsetzlich, denn um diese
Zeit verliert das Recht sein Recht und es gibt
viele Maulhelden und Betrüger. Die Leut werden
wieder ärmer ohne daß sie es merken. Jeden
Tag gibt es neue Gesetze und viele werden da-
durch manches erleben oder gar sterben.
Die Zeit beginnt um 1932 und alles geht auf
eines Mannes Diktat, dann kommt die Zeit 1938.
Völker werden überfallen und es wird zum Krieg
erüstet. Der Krieg endet schlecht für diesen
lann und seinen Anhang. Das Volk steht auf
mit den Soldaten, denn es kommt die ganze
Lumperei auf. Man soll in dieser Zeit kein Amt
oder dergleichen annehmen, alles kommt an den
Galgen oder wird unter der Haustür aufgehängt,
wenn nicht ans Fensterkreuz hingcnagclt. Sachen
kommen auf, unmenschlich. Die Leute werden
(nach dem Krieg, d. V.) sehr arm und die Kleider-
pracht hat aufgehört. Die Leut sind froh, wenn
sie sich noch in Sandsäcke kleiden können. Die
Sieger bekommen auch nichts. Deutschland wird
zerrissen und ein neuer Mann tritt auf, der das
neue Deutschland leitet und aufrichtet. Wer dann
32
3
33
das fleißigste Volk hat, erhält die Weltherrschaft.
Am Schluß kommt noch Rußland und fällt über
Deutschland her, wird aber zurückgeschlagen, weil
die Natur eingreift. Da wird in Süddeutschland
ein Platz sein, wo das Ereignis eintritt. Später
kommen die Leute aus aller Welt, um das an-
zuschauen. Der Papst wird dann beim Friedens-
schluß dabei sein. Zuvor aber muß er fliehen,
da er als Verräter hingestellt wird. Er kommt
nach Köln, wo er nur mehr einen Trümmerhaufen
findet, alles ist kaput. Italien wird furchtbar zu-
gerichtet und viele deutsche Soldaten finden dort
ihr Grab.“
Der Brief Schreiber R. meint dann noch einmal,
der Franzose habe es nicht recht beisammen, er
spinne.
In einem zweiten Feldpostbrief vom 30. August 1914
ergänzte dann der Briefschreiber R. die Aus-
führungen des französischen Hellsehers folgender-
maßen:
..Da hat er immer betont von dunklen Männern,
die dieses Unheil bringen sollten und die in der
ganzen Welt verteilt sein sollten (Freimaurer?).
Und die Zeit, in der der Stuhl 12 (Pius XII?),
bekleidet ist (?) ist voll Schrecken und Morden.
Er spricht und mahnt die Völker, aber alles
umsonst. Diese Menschen werden immer weiter
ins Unglück getrieben und werden immer schlech-
ter und alles will nur Ware und Besitz haben
(während des 2. Weltkrieges? d. V.). Steht an der
Jahreszahl 4 und 5 (1945), dann wird Deutsch-
land von allen Seiten zusammengedrückt und das
zweite Weltgeschehen ist zu Ende. Der Mann
(Hitler?) verschwindet mit seinem Zeichen. Das
34
Volk steht da und wird noch ausgeraubt und ver-
nichtet bis ins Unendliche, aber die Feinde stehen
auch nicht gut zueinander. Die Sieger kommen
in das gleiche Ziel der Besiegten.
In Deutschland kommen dann Regierungen, aber
sie können ihre Absichten nicht durchsetzen, da
ihr Vorhaben immer wieder vereitelt wird. Der
Mann und sein Zeichen sind verschwunden und
niemand weiß wohin, aber der Fluch im Innern
bleibt bestehen und die Leute sinken immer tiefer
in der Moral und werden schlechter. Die Not
wird noch viel größer und fordert viele Opfer.
Die Leute bedienen sich sogar mit allen mög-
lichen Ausflüchten und Religionen, um die Schuld
an dem teuflischen Verbrechen abzuwälzen. Aber
es ist den Leuten alles gleich, denn der gute
Mensch kann fast nicht mehr bestehen während
dieser Zeit und wird verdrängt und vernichtet.
Dann erheben sich die Leute selbst gegeneinander,
denn der Haß und Neid wachsen wie das Gras
und kommen immer weiter in den Abgrund. Die
Besatzungen lösen sich voneinander und ziehen
ab mit der Beute der Beraubten, was ihnen auch
sehr viel Unheil bringt.
Und das Unheil des dritten Weltgeschehens bricht
herein. Rußland überfällt den Süden Deutschlands
und die Berge sollen von Feuer speien. Um diese
Zeit soll es furchtbar zugehen und es soll den
Leuten nichts mehr helfen, denn sie sind zu weit
gekommen in der Schlechtigkeit, da sie die Er-
mahnungen nicht gehört haben. Dann tritt das
Ereignis ein und der Russe soll alles zurücklassen
an Kriegsgerät. Bis zur Donau und Inn wird alles
dem Erdboden gleichgemacht und vernichtet. Die
35
3 ‘
Flüsse sind alle so seicht, daß man keine Brücken
mehr braucht zum Darübergehen. Die schlechten
Menschen werden zugrund gehen als wie es im
Winter schneit und auch die Religion wird aus-
geputzt und gereinigt. Aber die Kirche erhält
den Siegestriumph. In Rußland werden alle Macht-
haber vernichtet. Die Leichen werden dort nicht
mehr begraben und bleiben liegen. Hunger und
Vernichtung wird in diesem Lande zur Strafe für
ihre Verbrechen.“
Der Briefschreiber fügt dann an:
..Da muß man doch lachen über diese Reden
und wir Soldaten lachten, aber der Franzose (El-
sässer?) sagte: ,Von euch erlebt es nur einer
und er wird an mich denken/ Da lachte keiner
mehr.“ Das war im August 1914. Heute wissen
wir, daß von belanglosen Unrichtigkeiten ab-
gesehen der französische Hellseher die Zukunft
richtig geschaut hat, denn wir haben den ersten
Teil seiner Voraussagung erlebt.
Das prophetische Lied von der Linde
am Staffelstein
Seit über 100 Jahren gibt es ein Gedicht, welches
frappierende Weissagungen enthält. Dieses Ge-
dicht oder Lied soll in einer uralten Linde ge-
funden worden sein, die in einem Hohlweg beim
Eingang des Friedhofs von Staffelstein im Fran-
kcnland steht. Der Text ist teilweise verstümmelt
oder verändert. Durch zwei Zuschriften aus Fran-
ken sind wir in der Lage, das Gedicht, das
über hundert Jahre im Besitz einer Passaucr
Familie ist, zu ergänzen. Hier der Text:
&
Die alte Linde sang von der kommenden Wui
Alte Linde bei der heiligen Klamm
Ehrfurchtsvoll betast ich deinen Stamm
Karl den Großen hast du schon gesehn
Wenn der Größte kommt, wirst du noch stehn.
Dreißig Ellen mißt dein grauer Saum
Aller deutschen Lande ält’ster Baum
Kriege, Hunger schautest, Seuchennot
Neues Leben wieder, neuen Tod.
Schon seit langer Zeit dein Stamm ist hohl
Roß und Reiter bärgest einst du wohl
Bis die Kluft dir sacht mit milder Hand
Breiten Reif um deine Stirne wand.
Bild und Buch nicht schildern deine Krön
Alle Aeste hast verloren schon
Bis zum letzten Paar, das mächtig zweigt
Blätter freudig in die Lüfte steigt.
Alte Linde, die du alles weißt
Teil uns gütig mit von deinem Geist
Send ins Werden deinen Seherblick
Künde Deutschlands und der Welt Geschick.
Großer Kaiser Karl in Rom geweiht
Eckstein sollst du bleiben deutscher Zeit
llundertsechzig, sieben Jahre Frist
Deutschland bis ins Mark getroffen ist.
Fremden Völkern front dein Sohn als Knecht
Tut und läßt, was ihren Sklaven recht
Grausam hat zerrissen Feindeshand
Eines Blutes, einer Sprache Band.
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Zehre Magen, zehr vom deutschen Saft
Bis mit einmal endet deine Kraft
Krankt das Merz, siecht ganzer Körper hin
Deutschlands Elend ist der Welt Ruin.
Ernten schwinden, doch die Kriege nicht
Und der Bruder gegen Bruder ficht
Mit der Sens’ und Schaufel sich bewehrt
Wenn verloren gingen Flint und Schwert.
Arme werden reich des Geldes rasch
Doch der rasche Reichtum wird zu Asch'
Aermer alle mit dem großem Schatz
Minder Menschen, enger noch der Platz.
Da die Herrscherthrone abgeschafft
Wird das Herrschen Spiel und Leidenschaft
Bis der Tag kommt, wo sich glaubt verdammt
Wer berufen wird zu einem Amt.
Bauer heuert bis zum Wendetag
All sein Mühn ins Wasser mit ein’m Schlag
Mahn wort fällt auf Wüstensand
Hörer findet nur der Unverstand.
Wer die meisten Sünden hat
fühlt als Richter sich und höchster Rat
Raucht das Blut, wird wilder nur das Tier
Raub zur Arbeit wird und Mord zur Gier.
Rom zerhaut wie Vieh die Priesterschar
Schonet nicht den Greis im Silberhaar
Ueber Leichen muß der Höchste fliehn
Und verfolgt von Ort zu Orte ziehn.
Gottverlassen scheint er, ist es nicht
Felsenfest im Glauben, treu der Pflicht
Leistet auch in Not er nicht Verzicht
Bringt den Gottesstreit vors nah Gericht.
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Winter kommt, drei Tage Finsternis
Blitz und Donner und der Erde Riß
Bet daheim, verlasse nicht das Haus
Auch am Fenster schaue nicht den Graus!
Eine Kerze gibt die ganze Zeit allein
(Wofern sie brennen will) dir Schein
Gift’ger Odem dringt aus Staubesnacht
Schwarze Seuche, schlimmste Menschen-
[sch lacht.
Gleiches allen Erdgebornen droht
Doch die Guten sterben sel’gen Tod
Viel Getreue bleiben wunderbar
Frei von Atemkrampf* und Pestgefahr.
Eine große Stadt der Schlamm verschlingt
Eine andre mit dem Feuer ringt
Alle Städte werden totenstill
Auf dem Wiener Stephansplatz wächst Dill.
Zählst du alle Menschen auf der Welt
Wirst du finden, daß ein Drittel fehlt
Was noch übrig, schau in jedes Land
Hat zur Hälfte verloren den Verstand.
Wie im Sturm ein steuerloses Schiff
Preisgegeben einem jeden Riff [schwärm
Schwankt herum der Eintags-Herrscher-
Macht die Bürger ärmer noch als arm.
Denn des Elends einz’ger Hoffnungsstern
Eines bessern Tags ist endlos fern
„Heiland, sende, den du senden mußt“
Tönt es angstvoll aus der Menschen Brust.
* Andere Lesart: Menschenkampf
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Nimmt die Erde plötzlich einen andern Lauf?
Steigt ein neuer Hoffnungsstern herauf?
„Alles ist verloren!“ hier’s noch klingt —
„Alles ist gerettet“, Wien schon singt.
Ja, von Osten kommt der starke Held
Ordnung bringend der verwirrten Welt
Weiße Blumen um das Herz des Herrn
Seinem Rufe folgt der Wackre gern.
Alle Störer er zu Paaren treibt
Deutschem Reiche deutsches Recht er schreibt
Bunter Fremdling, unwillkommner Gast
Flieh die Flur, die du gepflügt nicht hast.
Gottes Held, ein unzertrennlich Band
Schmiedest du um alles deutsche Land
Den Verbannten führest du nach Rom
Große Kaiserweihe schaut ein Dom.
Preis dem 21. Konzil
Das den Völkern weist ihr höchstes Ziel
Und durch strengen Lebenssatz verbürgt
Daß nun Reich und Arm sich nicht mehr würgt.
Deutscher Name, der du littest schwer
Wieder glänzt um dich die alte Ehr
Wächst um den verschlung’nen Doppelast
dessen Schatten sucht gar mancher Gast.
Dantes und Cervantes welsche Laut
Schon dem deutschen Kinde sind vertraut
Und am Tiber- und am Ebrostrand
Liegt der braune Freund vom Hermannsland.
Wenn der engelgleiche Völkerhirt
Wie Antonius zum Wandrer wird
den Verirrten barfuß Predigt hält
Neuer Frühling lacht der ganzen Welt.
Alle Kirchen einig und vereint
Einer Herde Einziger erscheint
Halbmond mählich weicht dem Kreuze ganz
Schwarzes Land erstrahlt im Glaubensglanz.
Reiche Ernte schau ich jedes Jahr
Weiser Männer eine große Schar
Seuchen, Kriege sind der Welt entrückt
Wer die Zeit erlebt, ist hochbeglückt.
Dieses kündet deutschem Mann und Kind
Leidend mit dem Land die alte Lind
Daß der Hochmut mach das Maß nicht voll
Der Gerechte nicht verzweifeln soll.
Anmerkung: Da auf Karl den Großen in diesem
Gedicht Bezug genommen wird als „Eckstein der
deutschen Zeit“ seien die Lebensdaten des großen
Herrschers angeführt. Karl wurde im Jahre 768
geboren, wo ist unbekannt geblieben. Er wurde
am Weihnachtstag des Jahres 800 von Papst
Leo III. in Rom zum Kaiser gekrönt und starb am
28. Januar 814.
Vermehrt man die angegebenen 160 Jahre mit 7
so ergeben sich folgende Zahlen: 160 mal 7 ist
1120. Rechnet man dazu die Jahreszahl 813 der
in diesem Jahr vollendeten Lebenszeit Karls, so
erhält man fast auf den Tag den
30. Januar 1933,
den Tag der „Machtergreifung“ Hitlers. Das aber
war die Wendezeit, in der Deutschland „bis ins
Mark“ getroffen wurde. Zu den anderen Strophen
kann sich jeder selbst denken, was er will.
40
41
Der Hellseher
an ber ©aalad)
Alois Irlmaier
Phänomen des Hellsehens
Wir sind überzeugt davon und die vergangenen
fünf Juli re haben es bis zum Ueberdruß bewiesen,
daß es eine sehr heikle Sache ist, über einen
noch lebenden Menschen Dinge niederzuschreiben,
die erst später ihr volles Gewicht erhalten wer-
den. Wenn man gar über einen Hellseher
schreibt, dann erhebt sich ein Geschrei von all
denen, die nicht daran glauben oder nicht daran
glauben wollen und können, weil sonst ihre ganze
Weltanschauung ins Wanken kommt. Für sie ist
alles, was sie nicht mit Händen greifen können,
ein „aufgelegter Schwindel“, „Mumpitz“, „Geld-
macherei“ und „Gimpelfang“ und was sonstige
Liebenswürdigkeiten mehr sind. Es ist eine alte
Geschichte, daß Menschen, deren Gott der Bauch
ist oder ein voller Geldbeutel, sofort sauer reagic-
.43
ren, wenn jemand an ihr Inneres klopft, vor der
Zukunft warnt oder gar von einem allwissenden
Weltenlenker Zeugnis abzulegen wagt. Und doch
beweist die ganze Menschheitsgeschichte, dal*
echte Prophezeiungen in allen Jahrhunderten Vor-
kommen, daß Menschen in der Lage sind, etwas
Zukünftiges in allen Einzelheiten zu „schauen ',
geistig zu sehen, was war oder kommt. Es muß
eine Ebene in der menschlichen Seele geben, auf
der der Zeitbegriff gefallen ist. Manchmal tut
sich das Tor zu der Zeitlosigkeit auf, und wenn
es auch nur ein Spalt ist, der den Blick in jene
Gefilde gestattet, immer wieder halten die Men-
schen erschauernd den Atem an und finden keine
Erklärung, versuchen höchstens, die Sache lächer-
lich zu machen, verhöhnen den Unglücklichen,
der mit einer solchen Gabe ringt und dabei ab-
solut nicht erfreut ist.
Ueber die Geisteskräfte eines Mensehen werden
Materialisten immer lachen, weil sie an keinen
Geist glauben, bis ihnen das Gegenteil oft schla-
gend bewiesen wird. Wenn im 15. Jahrhundert
eine heiligmäßige Nonne bombenwerfende Flug-
zeuge voraussagte, wenn das Auto, däs Flugzeug,
die Eisenbahn, die Inflation Hunderte von Jah-
ren vorher genau geschildert werden in Gesich-
ten, die irgendein Mönch oder ein anderer Zeit-
genosse aufgeschrieben hat, dann kann man
natürlich immer wieder sagen: „Ja, das waren
weit vorausschauende Menschen, die das sich aus-
dachten, was später Wirklichkeit wurde.“ Wenn
aber jemand auf den Tag genau ein großes Er-
eignis voraussagt, dann ist das unerklärlich,
außer jeder Berechnung, wahre Hellseherei. Wer
44
daran nicht glaubt, soll es bleiben lassen. Es gellt
aber nicht an, solche Menschen, die Beweise
ihrer Gabe des Hellsehens erbracht haben, ein-
fach als Schwindler hinzustellen. Es geht auch
nicht an, daß man aus bloßer Neugierde oder
wegen eines nichtigen Anlasses diese Gabe miß-
braucht und den Seher halb zu Tode quält mit
Fragen und Briefen, wenn sich ein Hund oder
eine Katze verlaufen hat, oder wie die dummen
Gänse, die wegen eines Hochzeiters Auskunft
wünschen.
Wenn wir Alois Irlmaier von Freilassing hier zu
Wort kommen lassen, so deswegen, weil er nicht
bloß seine natürlichen Fähigkeiten als Ruten-
gänger und Wasserspürer eindeutig unter Beweis
gestellt hat, sondern auch seine Eigenschaft als
Eidetiker (von griechisch eidon = das Bild, also
= Bilderschauer) einer sehr genauen und lang-
jährigen Prüfung standhielt. Allerdings ist es dem
Mann aus Freilassing übel genug ergangen. Man
hat seine Aussagen verfälscht, Sachen dazu-
gelogen, von denen nie eine Rede war. Man hat
Sensationen fabriziert um Irlmaier, man hat ihm
Schwindel und Geldmacherei vorgeworfen und
den Mann so verbittert, daß er sich mit Recht
wie eine Auster abgeschlossen hat und nur mehr
seiner Brunnengraberei leben will, ein gefahr-
volles Handwerk, aus dessen Erträgnissen er
schlecht und recht mit seiner Familie leben kann.
Trotzdem schaut er immer noch Dinge, die kom-
men sollen oder können oder werden. Er weiß
es nicht, er sieht es und sagt es nur einem sehr
engen Kreis. Was wir geprüft haben, bringt diese
2. Auflage des Büchleins: „Blick in die Zukunft“.
45
Die Person des Alois Irlmaicr
Der Lois, wie ihn seine Bekannten nennen, ist
heute sechzig Jahre alt, ein mittelgroßer Typ.
Das Auge ist bemerkenswert hell und durchschei-
nend, das Wesen gutmütig und mit einem Schuß
feiner Ironie, heiter und aufgeschlossen. In den
letzten Jahren zeigen sich bittere Falten um den
Mund. Der Mann ist verschlossener geworden.
Ein scharfer Hund bellt am Gittertor jeden Be-
sucher wütend an, ein unbestechlicher Wächter.
Ein Plakat ist angeschlagen, welches besagt, daß
Irlmaier nur in Sachen der Brunnengraberei und
des Wassersuchcns zu sprechen sei. Wenn er dann
selber aufmacht, sind es wenige, die er einläßt.
Aber helfen wenn der Lois kann, dann tut er es.
Wie es dazu kam
Schon in der Jugendzeit hatte Irlmaier die Er-
fahrung gemacht, daß er das Wasser „spürte“.
Wenn er an eine Quelle kam, dann „wurlte“ es
in seinen Fingern. Als Augenzeuge kann der Ver-
fasser bestätigen, daß die sehr empfindsame Hand
des Rutengängers über der Wasserader sofort
eigentümlich reagierte. Die Blutadern der Hand
traten dick hervor. Die Rute schlägt so unwider-
stehlich aus, daß sie auch von fremder Hand
nicht gehalten werden kann. Neben dieser Fähig-
keit, das Wasser zu spüren, trat dann „das
andere“' ein, das Hellsehen. Irlmaier wurde im
ersten Weltkrieg im Feld verschüttet und erlitt
einen schweren Nervenschock. Vielleicht ist das
der Anstoß gewesen bei ihm, daß die Balance des
Seelischen aus dem regulären Gleichgewicht kam.
Als nun Irlmaicr als gelernter Installateur im
Jahre 1928 bei einem österreichischen Bauern
sein Handwerk ausübte, sah er in der Stube ein
sehr schönes Marienbildnis hängen, das dem Lois
sehr gefallen hat. Auf einmals gab’s dem Be-
schauer einen Riß. Denn es war ihm, als ob die
Gottesmutter aus dem Bild herausgetreten wäre
und ihn gütig angeschaut hätte. Als er sich be-
nommen über die Augen streicht, ist alles wie-
der wie zuvor. Und seit dieser Zeit sieht der
Lois „Manndln“ und Landschaften, Tote und
Lebendige und hat keine Erklärung dafür. Er
schaut die Bilder, wie wir sie im Kino sehen.
Er muß sich aber dabei anstrengen, sich konzen-
trieren, und es ist nicht immer gleich gut. Ruck-
haft erscheint das Bild und dann ist es plötz-
lich weg. Auch Zahlen erscheinen oder Striche,
die er dann zu deuten sucht, vielfach nicht rich-
tig, denn es ist seine Auslegung. Immerhin sieht
er die Menschen und die Landschaft und kann
die Jahreszeit erraten, sei es, daß er die Bäume
im Schmuck des Laubes erblickt oder die Berge
noch mit Schnee bedeckt.
Die Verhandlung in Laufen
Daß das Hellsehen auch zu einer gerichtlichen
Auseinandersetzung führen kann, beweist eine
Verhandlung in Laufen. Irlmaier wurde wegen
Gaukelei angezeigt und eines Tages am zustän-
digen Amtsgericht vorgeladen. Die Zeugen, mei-
stens aus Freilassing, wurden vereidigt und mach-
ten ihre Aussagen. Was sie hier unter Eid aus-
sagten, war aber für den Hellseher derartig
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47
günstig, daß sich das Gericht überzeugen ließ,
hier sei von Gaukelei keine Rede. Das Motiv der
Gewinnsucht schied vollständig aus, als bekannt
wurde, daß sich Irlmaier mit einem „Vergelt’s
Gott“ für seine Dienste begnügte und armen
Frauen, die ihn in ihrer Not aufgesucht hatten,
sogar noch das Fahrgeld schenkte. So bewahr-
heitete sich das, was der Lois dem Richter bei
Beginn der Verhandlung vorausgesagt hatte: „Du
kannst mir gar nichts tun!“ Es erfolgte ein Frei-
spruch. Im nachfolgenden aber wollen wir genau
untersuchte Voraussagungen Irlmaiers bringen,
von denen uns die schriftlichen Unterlagen zur
Verfügung gestellt wurden. Ihre Zahl ist in den
letzten Jahren so angestiegen, daß wir aus Raum-
mangel nur die frappiercndsten bringen können.
Sie genügen, um viele Menschen von der Tat-
sache zu überzeugen, daß der Seher von der
Saalach ein echter Hellseher ist, der sich sicher
auch wie jeder Mensch irren kann, aber bestimmt
kein Schwindler oder Gaukler ist, der Hilfe-
suchende betrügt.
Der Bunker in Rosenheim
Während des Krieges war Irlmaier öfter in
Rosenheim zu Besuch bei einer Verwandten. Da
sagte er, sie solle nicht in die Mitte des Bunkers
am Salinenplatz gehen, weil er dort lauter Lei-
chen sehe, dagegen geschehe den Leuten am Ein-
gang des Stollens nichts. Das sprach sich in
Rosenheim herum, und als ein schwerer Luft-
angriff erfolgte, flüchteten die erschreckten Pas-
santen in den Bunker, mieden aber die Mitte.
Als schon die Bomben fielen, kamen noch ver-
48
schiedenc Soldaten, drängten sich trotz der War-
nung der Einheimischen in die Mitte und fie-
len gleich darauf einem Volltreffer zum Opfer.
Die anderen am Stolleneingang blieben unverletzt.
Die Schleiergestalten
Als Irlmaier einmal in einem Gebirgsort einen
Brunnen grub, wurde er von der Bäuerin zu einer
Brotzeit eingeladen. Er schaute das Brot an und
sagte: „Eigentlich sollte ich nichts essen, es liegt
bei euch kein Segen darauf. Da schau, da steht
dei Vater 'unter der Tür und hebt bittend d’ Hand
auf, und d’ Mutter, de da droben im Eckzimmer
gstorben ist, de bitt zum Fenster herein, warum
betet ihr denn gar nix für eure Leut?“ Die
Bäuerin lief vor Schrecken fort, auch der Bauer
verzog sich und ebenso die drei Buben, die eben
vom Kirchengehen nicht viel wissen wollten. Das
Merkwürdige dabei ist, daß der Hellseher auch
Verstorbene sieht, die als „Schleiergestalten“ vor
seinem geistigen Auge erscheinen. Einmal, als
er mit einem Bekannten in der Kirche war, sagte
er hernach, in den Stühlen seien viele Verstorbene
gewesen, einige aber hätten dem Altar den Rücken
zugekehrt, die seien Wahrscheinlich verdammt
oder im Fegefeuer.
Ein Vermißter kehrt heim
Als ihm eine Frau für die Auskunft über einen
Vermißten mit einem herzhaften „Vergelts Gott!“
dankte, sagte Irlmaier: „Jetzt hast dein Knecht
aus n Fcgfeuer erlöst, da steht er und dankt dir!“
Die Frau, deren Knecht tatsächlich kürzlich ge-
storben war, machte, daß si« weiterkam.
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4
Hunderte von Fällen werden erzählt, wie Irl-
maier das Wiederkommen von Vermißten voraus-
sagte. Einer Frau, die ihren Mann für tot hielt,
sagte er: „Wenn d’ Weihnachtsglocken läuten,
is er dahoam. 4 Der Mann kam 1948 kurz vor
\\ eihnachten zurück.
Viele Tausende leiden seit Jahren unsagbar unter
der Ungewißheit über das Los ihrer Angehörigen.
Das Wort „Vermißt“ hat einen schneidenden
Klang. Viele Tausende in den Lagern Sibiriens
können oder dürfen nicht schreiben. Jahre sind
vergangen. Eine Frau in Rosenheim verzweifelte
fast um ihren Mann. Sie wollte dann wieder
heiraten. Vorsichtshalber fragte sie aber zuerst
beim Irlmaier, was sie tun solle. Der sagte:
„Wart no, i moan, er kommt bald heim.“ Und
tatsächlich kam der Vermißte bald darauf nach
Hause.
Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß Irl-
maier in vielen Fällen aus Mitleid mit den ver-
härmten Auskunft Suchenden das wahre „Gesicht“
verschwieg. Er brachte es nicht übers Herz, die
bittere Wahrheit zu sagen, das oft grausame Ge-
schehen, wie er es gesehen hatte, den Angehöri-
gen mitzuteilen. War es doch vorgekommen, daß
erschütterte Frauen in Ohnmacht fielen, wenn
sie den Tod erfuhren.
Der Mann mit der Silberplatte
Eines Tages fuhr ein Auto beim Irlmaier vor
mit drei Polizeileuten. Der Lois empfing sie mit
den nicht gerade höflichen Worten: „Was wollts
denn ihr bei mir mit eurem gestohlenen Wagen?“
Das Auto war tatsächlich zu Unrecht enteignet
worden, was die Polizisten gar nicht gewußt
hatten. Aber nicht darum handelte es sich bei
dem Besuch. Es war ein Mord geschehen, das
wußte man, aber die Leiche war verschwunden.
Irlmaier beschrieb den Detektiven genau den
Platz, wo der Ermordete vergraben war und
zwar mit den Worten: „Da und da liegt der mit
der silbernen Platte im Bauch, da findet ihr ihn.“
Tatsächlich wurde die Leiche gefunden. Bei der
Sezicrung stellte sich heraus, daß der Umgebrachte
unter dem Bauchfell eine silberne Platte trug,
was vorher niemand gewußt hatte. Der Mord
konnte restlos aufgeklärt werden.
Merkwürdige Voraussagung
Ein Geschäftsmann, dessen Frau erkrankt war,
kam zu Irlmaier um Rat. Der Hellseher sagte
zu ihm: Fahr gleich heim, mit deiner Frau.stents
nicht gut. In drei Wochen stehst du an ihrem
Grab. Aber du bist in einem Jahr schon wieder
verheiratet.
Tatsächlich starb die Frau in der angegebenen
Zeit. Als der Witwer nach einem Jahr wieder
zu Irlmaier kam, stelllte er seine Braut vor, die
mit ihm gekommen war. Das Aufgebot zur Ver-
ehelichung war bereits bestellt. Aber der Lois
lachte nur und sagte: „Nein, die ist es nicht, die'
ich vor einem Jahr gesehen habe. Fahr nur
wieder heim, ihr zwei kommt nicht zusammen.“
Die zwei Brautleute kamen tatsächlich schon auf
der Heimreise ins Streiten, trennten sich und
eine andere Braut trat mit dem Geschäftsmann
an den Altar. Hoffentlich war sie die Richtige.
50
4 *
51
Das gestohlene Pferd
In Freilassing erzählt man über den Irlniaier noch
andere Dinge. So von dem Bauern, dem man ein
Roß gestohlen hatte und der nun zum Irlmaier
kam und ihm sein Leid klagte. „Ja, mein Lieber,
da hast höchste Zeit“, sagte ihm der Hellseher
der Roßmetzger wetzt schon sein Messer und will
den Gaul abstechen. Jetzt lauf, was du kannst,
damit du noch recht kommst!“ Tatsächlich war
das gestohlene Pferd beim Roßmetzger und sollte
eben geschlachtet werden, als der Bauer eintrat.
Hocherfreut zog der Bestohlene mit seinem Gaul
wieder heimwärts.
Der Bauer und der Hcimatvertricbcne
Einmal fuhr ein Chiemgauer Bauer nach Frei-
lassing zum Irlmaier, um wegen seines vermißten
Sohnes zu fragen. Er mußte dieselbe Erfahrung
machen wie schon Hunderte vor ihm. Der Aloisius
war nicht da. Nach langem vergeblichem Warten
ging der Bauer in ein Gasthaus zum Essen. Dort
traf er neben anderen Leidensgenossen einen
Vertriebenen, der auch zum Irlmaier wollte. Der
Flüchtling erklärte, er werde so lang m Frei-
lassing bleiben, bis er sein Ziel erreicht habe.
Daraufhin gab der Bauer dem Mann die Foto-
grafie seines vermißten Sohnes und fünf Mark
mit der Bitte, bei Irlmaier über das Schicksal
des Sohnes Auskunft einzuholen, da er selbst nicht
mehr Zeit hatte, länger zu warten.
Als nun dieser Flüchtling, ein ehemaliger Bauer,
endlich zu dem Hellseher kam, legte er ihm drei
52
Fotografien von Vermißten vor. „Der eine“, sagte
Irlmaier, „ist 1944 gefallen.“ Diese Aussage
stimmte deswegen, weil die Angehörigen schon
von anderer Seite, von einem Kameraden des
Gefallenen, eine ähnliche Nachricht erhalten hat-
ten. „Der zweite“, sagte Irlmaier, „lebt und ist
in einem Gefangenlager bei Moskau. Er wird in
nicht zu ferner Zeit heimkommen.“ „Und der
dritte?“ fragte der Flüchtling. „Der dritte“, sagte
Irlmaier, „ist der Sohn von einem großen Bauern.
Der hat dir fünf Mark gegeben, gell, damit du
mich ausfragst. Sag ihm, sei ßua lebt noch, er
ist aber ganz weit weg, so weit scho, daß d dirs
nicht denken kannst. Und der bleibt noch lang
aus. Des kannst ihm sagen. Und dir erzähl ich
jetzt, wie es in deiner früheren Heimat aus-
seh äugt. Da ist dei Haus und daneben lauft ein
kleiner Bach und neben der Tür steht ein großer
Baum. 4 Und so beschrieb Irlmaier bis ins kleinste
Detail das Anwesen des Flüchtlings, so daß dieser
aus dem Staunen nicht mehr herauskam.
Der lustige Zecher
Da saßen sie in H. beim Wirt, eine fidele Zech-
gesellschaft. Die Stimmung war die beste, nur
ein stiller Gast saß in der Ecke und beteiligte
sich nicht an den lustigen Spässen. Bis ihn einer
anprostete und ihm zurief, er solle nicht so
düster dreinschauen und mittrinken. Da sagte der.
es war Irlmaier: „Ja mei, i inoan allaweil, in
drei Tagen is dir 's Lachen auch vergangen, da
wirst nicht mehr leben.“ Zwar erschrak der also
Angeredete, es war ein älterer Herr, über diese
53
Prophezeiung, lachte dann aber herzlich und
meinte: „Ich glaubs nicht, ich fühle mich kern-
gesund und hoffe, noch lang zu leben.“ Irlmaier
sagte nichts mehr und ging heim. Drei Tage
später raffte den angeblich kerngesunden Zecher
ein Schlaganfall dahin, die Voraussage war auf
den Tag genau eingetroffen.
Der Mörder im Leichenzug
Es ist keine Seltenheit, daß der Hellseher von
Freilassing der Polizei in verzwickten Fällen zu
Hilfe kommt. Wir haben schon erzählt, wie er
die Leiche des Mannes mit der silbernen Platte
in der Bauch wand finden half. Ein anderer, sehr
bezeichnender Fall passierte schon vor längerer
Zeit, als in Stuttgart eine Frau ermordet auf-
gefunden worden war. Da ihr Mann nicht eben
eine glückliche Ehe geführt hatte, entstand der
Verdacht, daß er die Gattin ermordet habe. Die
Untersuchung setzte mit aller Schärfe ein, trotz-
dem der Mann in höchster Erregung seine Un-
schuld beteuerte. Eine Vernehmung folgte der
anderen und trieb den Verdächtigen an den
Band der Verzweiflung. Schließlich machte er
dem Untersuchungsrichter den Vorschlag, man
möge doch den Hellseher Irlmaier von Freilassing
beiziehen, dann werde sich seine Unschuld schon
heraussteilen. Die Kriminalpolizei ging auf den
Wunsch des geplagten Mannes ein und so fuhren
eines Tages zwei Beamte mit dem Manne nach
Freilassing zu dem Hellseher. Ein Freilassinger
Polizist und die zwei Stuttgarter gingen zu Irl-
maier hinein, der Verdächtige mußte heraußen
54
warten. Dann wurde dem Brunncnmachcr das
Bild des Ehepaares vorgclcgt mit der Frage, ob
der Mann seine Frau umgebracht habe. Sofort
sagte Irlmaier: „Na, na, der hats nicht um-
gebracht, des war ein anderer, teats mir des
andere Bild her, des ihr noch dabei habts!“ Tat-
sächlich hatte der eine Kriminalbeamte noch ein
zweites Bild in seiner Mappe, eine Fotografie des
Leichenzuges, als die Ermordete unter großer
Anteilnahme der Bevölkerung zu Grabe getragen
wurde. Plötzlich deutete Irlmaier auf einen Mann
im Leichenzug und sagte: „Der da is gwen, der
hats umbracht. Er hat ihren Schmuck gstohln,
an Ring und an Fotoapparat, aber den hätts scho
rausbringen können, ihr habts ja a Schreiben da-
heim, da stehts drauf. Der hat einer andern Frau
was gschenkt von dem gstohlnen Zeug, zu dem
gehts hin, na dawischts n, den Richtigen.“
Als die Beamten wieder nach Stuttgart kamen,
berichteten sie dem Untersuchungsrichter, was
Irlmaier gesagt hatte. Bei genauer Durchsicht
der Akten fand sich ein Brief ohne Unterschrift
vor, in dem eine Frau verdächtigt wurde wegen
des Besitzes eines wertvollen Ringes. Es stellte
sich heraus, daß dieser Ring Eigentum der Er-
mordeten gewesen war, der richtige Mörder hatte
ihn seiner Dulcinea verehrt. Er wurde verhaftet
und gestand sein Verbrechen. Und das Merk-
würdigste, er hatte die Frechheit, am Leichenzug
seines Opfers teilzunehmen und war auf dem
Bild als der Vorletzte genau zu erkennen, eben
an dem Platz, wo Irlmaier hingedeutet hatte. So
wurde ein Verbrechen gesühnt, bei dem beinahe
ein Unschuldiger verurteilt Avorden Avärc.
55
Wie er die Toten sieht
Wenn die Schleier vor der Zukunft fallen, dann
ist auch die Gegenwart und die räumlich ge-
trennte Sache dem Seherauge nicht verschlossen.
Dies beweist Irlmaier oft genug, wenn einer
stirbt, den er kennt. „Ja, was mogst denn du, di
hats aber schnell dawischt“, sagte er kürzlich.
Als ihn die Dabeistehenden fragten, wen er mit
seiner Ansprache meine, sagte Irlmaier: „0 mei,
der Xbauer ist plötzlich gestorben und jetzt hob
ich ihn gsehn. Wia a Schleiergestalt is er daher-
kemma, da X. Mei, der hot gschaut, wia er so
schnell in d Ewigkeit keinma ist. Ja, da geh nur.
wieder, ich helf dir schon in der Ewigkeit und
sogs deine Leut. 4 Wenn ihm das Bild eines Ge-
fallenen vorgelegt wird, sieht er ebenfalls den
Toten in dieser schleierartigen Gestalt daher-
schweben und weiß nun bestimmt, daß der Be-
treffende nicht mehr unter den Lebenden weilt.
Daraus macht Irlmaier dann auch kein Hehl,
obwohl er ein mitleidiges Herz hat und vor allem
helfen will. Sonst würde er gewiß den Tausenden,
die schon zu ihm gekommen sind, nicht Zeit und
Arbeitsgelegenheit opfern. Es kommt ihn vielleicht
hart genug an, wenn er Dinge sagen muß, die
nicht gerade eine rosige Zukunft bedeuten. Aber
lügen mag er auch nicht. So ergreift er, wenns
gar nicht anders geht, die Flucht und ist dam#
tagelang unsichtbar. Wer kaniTs ihm verdenken?
Ob reich, ob arm, das ist ihm gleich
Vi er glaubt, daß der schlichte ßrunnengraber von
Freilassing bloß im Rupertiwinkel oder im Chiem-
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gau und in Rosenheim bekannt ist, wäre schwer
im Irrtum. Und wer glaubt, sein Rang oder Stand
mache ihn zu einer bevorzugten Person, der
kommt beim Irlmaier an die falsche Adresse.
Zuvörderst redet er jeden Menschen mit du an,
dann kennt er keinen Unterschied, ob reich oder
arm, ob hoch oder nieder. Die Schwester des
Generals Glay ließ er genau so vor seiner Ilütten-
tür warten wie irgend eine arme Bauersfrau,
die um ihren vermißten Sohn anfragen will. Die
Hunderte von Amerikanern, die ihn besuchten,
mußten einen Dolmetscher mitnehmen, denn der
Alois kann nur chiemgauerisch reden, aber nicht
englisch. Und doch erzählte der Irlmaier den
meist farbigen Soldaten haargenau, wie es bei
ihnen zu Hause stehe, ob alles gesund sei und
was sic sonst noch wissen wollten. Ein reicher
Amerikaner kam sogar mit dem Flugzeug her-
über, um sich Rat und Auskunft wegen einer
Oelquelle zu holen. Daß natürlich verlockende
Angebote nicht fehlten für den einfachen Brunncn-
macher, versteht sich von selbst. Aber all diese
Angebote hat Irlmaier glatt abgeleimt. „Ich bleib
in meiner Heimat, ich kann mit meiner Brunnen -
graberei so viel verdienen, als ich brauch, mehr
will ich net“, das ist sein endgültiger Spruch und
dabei bleibt er. Seine Sehergabe macht ihn nicht
glücklich. „Wie oft derbarmen mir die Menschen,
wenn i siech' wias leiden miiassn, und kanns doch
net ändern.“
Daß er mir auch noch mit einem Abtasten seiner
Hände den Gesundheitszustand haargenau schil-
derte, sei nur nebenbei 'erwähnt.
57
Der Tote mit der Hand auf dem Rücken
In einer Familie gab es große Streitigkeiten. Es
handelte sich um Erbschaftsangelegenheiten und
da pflegen die Gegensätze meistens hart aufein-
ander zu prallen. Es kam zu üblen Begleiterschei-
nungen, Denunziationen und Anzeigen. Der alle
Vater wußte nicht recht, für wen er Partei er-
greifen sollte. Eines Tages traf ihn ein töd-
licher Schlaganfall. Sein Sohn ging eine Stunde
nachher, ohne außer einer kurzen Mitteilung
etwas von dem Tode des Vaters zu wissen,
zu Irlmaier, um sich Rat und Hilfe in
seiner Angelegenheit zu holen. Nach kurzer Unter-
haltung sagte Irlmaier: „Was hast denn mit dein
\ atern ghabt? Jetzt hat er schnell umi müssen
und ist so unruhig. Jetzt reuts ihn, daß
er nimmer mit dir redn könna hat. Er gellt all-
weil auf und ab und hat die rechte Hand aufn,
Buckel, die linke Iland schwenkt er hin und
her. Er bittet dich, daß du ihm verzeihst und
jetzt tnöcht er dir die Iland geben. Gibs ihm
halt! 4
Der Besucher wußte nicht, was er sagen und tun
sollte. Tatsächlich hatte sein verstorbener Vater
die Gewohnheit, die rechte Hand auf den Rücken
zu legen und wenn er ging, den linken Arm hin
und her zu schwingen. Ganz erschüttert sagte der
Betreffende nun 'zu Irlmaier: „Ich sch ja nichts,
wie kann ich denn da die Iland hergeben, obwohl
ich meinem toten Vater alles von Herzen verzeih,
was er mir angetan hat! 4 “ Darauf ergriff der Hell-
seher die rechte Hand seines Gastes und führte
58
sic in die des von ihm geschauten Schemens.
„Siehst, jetzt schaut er ganz zufrieden“, sagte Irl-
maier „und jetzt geht er.“' Man kann sich unge-
fähr vorstcllen, was sich der Sohn dachte, als er
dann heimging, um den toten Vater bereits auf-
gebahrt vorzufinden.
Die gestohlenen Rohre
Das war damals nach dem Kriege als das Geld
nichts und die Sachen alles wert waren. Daß zu
jener Zeit alles gestohlen wurde, was nicht ange-
nagelt war, ist eine bekannte Geschichte. Da hat
einer, auch im Chiemgau ansässig, Rohre gelegt
und hat sich wie ein Schneekönig gefreut über
seine Rohre, bis sie nicht mehr da waren. Er
trifft den Irlmaier Alois, der seine kurze Pfeifo
raucht und grad zum Brunnengraben ausrücken
will. Da entwickelt sich folgendes Gespräch:
„Alois, denk das nur grod, hot ma; a so a Hunds-
bazi meine schöne Rohr gstoin, furt sans, dahin
saus, suacha konn i woi i wui, i finds nirgends
mehr. Konnst ma net sogn, wo, i suacha soit?“ —
„Des. konn i scho“, sagt der Irlmaier, „jetzt gehst
Du zum X in sein Stadel hinein, da steht a
Wagen drinn und auf den Wagen san Scheiter
aufglcgt, a ganze Fuhr. Und wennst des Holz
abgladn hast, na liegen Deine Rohr da. Pfiiat
Di!“
Der Bestohlene besann sich nicht lang, holte sich
als „Schutzengel“ schnell noch einen Polizisten
und auf gings in die Scheune von X. Da stand
richtig ein Wagen hochbeladen mit schönen
Scheitern. Trotz des heftigen Protestes des Be-
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sitzers wurde das IIolz abgeladcn und siehe da,
die schönen Rohre, die neuen Rohre, kamen tief
am Boden versteckt zum Vorschein. Seitdem flucht
einer dem Hellseher, einer aber ist ihm sehr
dankbar, er hat seine Rohre wieder, die spur-
los verschwunden waren.
Und der neue Wintermantel
Weil sich diese Rohrgeschichte herumsprach,
dachten sich zwei Burschen von A. sie müßten
sich auch einen Aufschluß holen. Damals war
noch die Zeit, wo es keinen Stoff gab, kein Ei,
keine Butter, kein Geselchtes war zu haben. Die
Lebensmittel waren sehr knapp, außer es kaufte
jemand auf dem Schwarzen Markt um sündteures
Geld, was er erwischen konnte. Nun war einem
etwas gestohlen worden, was er sehr vermißte und
weil der andere seine Rohre wieder bekam,
wollte er auch eine Frage an Irlmaier stellen.
„Damits leichter geht“, packte er ein Trumm
Geselchtes in seinen Rucksack und ging mit einem
Kameraden zu dem Freilassinger Hellseher. Der
saß gerade in einem Wirtshaus und trank eine
Halbe Dünnbier. „Irlmaier, mir hamms was
gstohln“. — „Ja, ja, sitz Di nur her“, sagte der
Alois, „i woaß scho, des hast in Dein Kasten
drinn ghabt, links unten is des Paekl gelegen. Du
bist beim Tanzen gewesen, dann bist mit einer
fort und wie Du heimkommen bist, hast in Dein
Kasten neigschaut, nacher wars dahin. Aber des
kriagst nimmer. Du hast es selber von hinten
rum erworben, anzeigen kannst es nicht des-
wegen und die schwarze Kloane, de wo Dir das
60
Paekl gstohln hat, über de darfst auch nichts
sagen. Du weißt schon warum. Und Dein Gselch-
tes kannst auch wieder mitnehmen, des is von der
schwarzen Sau, von der die Hälfte noch in Eurem
Keller hängt, daneben der Butter und die Eier,
Du und Dei Vater, es seids ja ganz erstklassige
Schwarzhändler, oisa hoits Mäu und geh wieder!
Die zwoa Decken san Überhaupts schon beim
Färben in Salzburg, da laßt sich das kloa Fräu-
lein an Wintermantel machen. Pfiiat de!“ Also
sprach der Alisi. Der verblüffte Fragesteller aber
sagte kein Wort mehr, warf das Trumm Ge-
selchte auf den Tisch und verschwand. Seine
zweimal gestohlenen Militärdecken bekam er auch
nicht wieder, das kleine schwarze Fräulein aber
soll ein paar saftige Liebestatscherl empfangen
haben. Die Wahrheit ist manchmal bitter.
Der tote Maler
Irlmaier hatte früher geschäftlich als Brunnen-
macher viel im Salzburger Land zu tun. Deshalb
kam er häufig über die Grenze. Eines Tages war
er bei einer Familie zu Gast und als der Kaffee
gebracht wurde, sagte Irlmaier: Was ist denn das
für ein Kunde, der da hinten steht? Ja, der ge-
hört daher, den hat am Gartentiirl der Schlag
getroffen und jetzt bittet er um was, eine heilige
Meß brauchet er halt. Der hat in dem Haus ge-
wohnt und da droben hat er seine Malerbudc
ghabt. Jetzt weiß ichs, das ist der Maler M.,
nach dem haben sie eine Straß an der Salzach
benannt. Als man Irlmaier dann das Selbstpor-
trait des Malers zeigte, sagte er: „Ja, das ist er,
61
der drunten im Zimmer stellt. Laßts ihm nur
gleich morgen bei den Kapuzinern eine Meß
lesen! Jetzt dankt er mit der Hand, jetzt geht
er.“ — Niemand der Anwesenden hatte gewußt,
daß das Haus früher das Heim jenes berühmten
Malers war. Erst als man zu dem Hausbesorger
ging und nachfragte, wurde bestätigt, daß alles,
was der Hellseher behauptet hatte, bis ins kleinste
Detail stimmte, die Lage des Ateliers, der plötz-
liche Tod des Malers durch Schlaganfall bei der
Gartentüre usw. Der Verstorbene bekam seine
heilige Messe bei den Kapuzinern; die Hausin-
wohner aber konnten sich eines leisen Grauens
nicht erwehren, wenn sie bei dem bewußten Gar-
tentürl hineingingen. Es scheint doch mehr Dinge
zwischen Himmel und Erde zu geben, als sich
unsere Schulweisheit träumen läßt.
Das Mädchen vom Ammersee
Einmal kam ein Mädchen aus der Gegend am
Ammersee zu Irlmaier und fragte ihn um Rat.
Ohne weiteres sagte ihr der Hellseher folgendes:
..Du hast von einem schlechten Kerl ein Kind.
Da und da bist mit ihm beisammen gewesen.
Zweimal hast Du ihm Geld gegeben, das drittemal,
als er wieder Geld von Dir wollte, hast ihm keins
mehr gegeben. Laß den schlechten Kerl laufen.
Dein Vater ist von Mehl ganz weiß, der ist ein
Müller. Euer Haus steht am Wasser, drüber der
Straße ist auch ein stinkender Wassergraben.
Wennst heimkommst, sag zu deinem Vater, er soll
den Graben drainieren und das Wasser in Rohre
leiten, das ist besser für euch. Deine Mutter ist
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eine alte Frau, die hat am Bauch ein Gewächs.
Sic soll sich operieren lassen und da braucht ihr
keine Angst zu haben, sie hälts leicht aus und
wird wieder gesund. 4 ' Dann beschrieb Irlmaier
noch das Anwesen, die Mühle mit vielen Einzel-
heiten. Dem Mädchen brach der Schweiß aus
vor Aufregung, als Irlmaier sagte, sie solle ein
andcresmal nicht mehr so dumm sein und leicht-
gläubig. Ob der stinkende Wassergraben dann
in Rohre gefaßt wurde und ob die Mutter sich
tatsächlich operieren ließ, entzieht sich unserer
Kenntnis.
Der Stundenplan iur den Berliner
Das war Anfang 1948. als ein junger Mann beim
Irlmaier auftauchte. Er kam von Berlin und hieß
Th. Als ehemaliger SS-Mann tat er sich besonders
hart und wußte sich keinen Rat. Also ging er
zum Brunnenmacher. Der schaute ihn eine Zeit-
lang an, dann sagte er: Du bist lang eingsperrt
gwen, eins, zwei, drei Stricherl, drei Jahr bist
eingsperrt gwen, hast aber niemand was getan.
Darum helf i Dir! Du möchst ins Oestcrreichischc
und das wird auch Dein Vorteil sein. Dei Frau
ist in Oesterreich begraben. Du lernst eine andere
Frau, eine Witwe in S. kennen, die verschafft
Dir Papiere und schließlich wirst Du sie heiraten,
dann gehts Dir gut, Du kriegst wieder mehr zu
essen. Deine erste Frau hat so und so ausgesehen,
sie wurde krank. Ihre Krankheit wurde nicht
erkannt und darum mußte sie sterben. Siehgst,
da stchts neben Dir und lächelt traurig. Jetzt
paß auf, was ich Dir sag! Am nächsten Montag
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zwischen 12 und 4 Uhr gehst über die Grenz.
Wennst früher oder später gehst, dann schnap-
pens Dich. Nach 4 Uhr nachmittags möcht Dich
ein österreichischer Grenzer verhaften. Dann mußt
von Deiner Militärzeit erzählen, dann läßt er Dich
wieder laufen, das ist um 4 Uhr 12 Minuten,
weil ich Deine Uhr sehe. Also folg mir und jetzt
pfüat Di Gott. Bet für Dei Frau!
Die Anweisung Irlmaiers wurde genau befolgt.
Der Berliner ging bei Sch. über die Grenze, da
kam ein österreichischer Zöllner daher und fragte
ziemlich barsch nach den Papieren. Der Berliner
Th. sagte blank weg: „Ich hab keinen Grenz-
schein, aber ich war jetzt drei Jahre gefangen.
Sie sind doch auch Soldat gewesen, ich möchte
nur das Grab meiner Frau besuchen, die ist in X.
begraben. Kamerad, hilf mir, ich will ja nichts
Böses“. Da ließ sich der Gendarm erweichen und
ließ Th. laufen. Der schaute auf die Uhr, es war
4 Uhr 12 Minuten. Froh wanderte der Berliner
weiter und es spielte sich dann alles genau so ab,
wie lrlmaier es vorausgesehen hatte. Er traf in
N. über der Grenze die Witwe und fand bei ihr
ein Heim, wie er mir später erzählte.
Wenn lrlmaier schweigt
oder „drum herum redet“
Hier seien einige Bemerkungen eingefügt über
Aussagen Irlmaiers, die wirklich nicht den Tat-
sachen entsprochen haben. Es gibt Tage oder hat
Tage gegeben, an denen der Hellseher buchstäb-
lich von der Frühe um 6 Uhr bis in die Nacht
um 1 Uhr ununterbrochen mit Fragen bestürmt
64
wurde. Wenn man bedenkt, was es allein körper-
lich für eine Anspannung bedeutet, in dem sehr
kleinen Raum, in dem lrlmaier .seine Gäste zu
empfangen pflegte, 20 und noch mehr Stunden
auszuhalten, pausenlos die verhärmten, ängst-
lichen, teilweise verzweifelten Menschen auch nur
anzuhören, dann kann man sich denken, daß der
Mann ermüdet. Außerdem bedeutet jede Bemü-
hung etwas zu „sehen**, eine geistige Konzentra-
tion, eine Willensenergic, die mit der Zeit immer
schwieriger aufzubringen ist. lrlmaier ist aber
ein durchaus gutmütiger und gefälliger Mensch.
Er hat ein sehr mitleidiges Herz und möchte gern
helfen, wo er helfen kann. Er hat tatsächlich an
vielen Tagen bis zur Erschöpfung seine eigentüm-
liche Begabung den Hilfesuchenden zur Verfü-
gung gestellt. Wenn nun eine verzweifelte Mutter,
ein schmerzerfüllter Vater die bange Frage an
ihn richtet: „Lebt er noch?*’
Dann kommt es den Hellseher oft sehr hart an,
wenn die bekannte schemenhafte Gestalt vor
seinem Auge auftaucht, oft verstümmelt und blut-
befleckt. Dann weicht lrlmaier aus, redet um die
Sache herum, läßt die Leute lieber im Unge-
wissen, denn die Wahrheit ist etwas, was nicht
jeder vertragen kann. Darum hat Gott die Zu-
kunft vor unseren Augen verschlossen. Wenn es
trotzdem immer Seher und Propheten gegeben
hat, so soll dies eine Warnung an die Gutgläu-
bigen sein, daß besondere Ereignisse bevorstehen.
Irren kann sich freilich jeder Mensch und
Schrecknisse können durch das Gebet und die
Fürsprache der Heiligen abgewendet werden, wie
schon im Fall des Jonas deutlich geworden ist.
65
ö
Wenn wir hier nur peinlich genau beglaubigte
Fälle bringen, so mag es genügen, um eine Tat-
sache fcstzüstellen: Die Eidetik, das Ilellsehen,
ist nicht mehr wegzuleugnen. Wer es anders er-
klären kann, erkläre es! Dieses Gebiet der Para-
psychologie ist noch nicht genug wissenschaftlich
erforscht, infolgedessen halten wir es für unsere
Pflicht, nur einwandfrei feststehende Vorkomm-
nisse niederzulegen. Nicht* um Neugierde oder
Abergläubische mit Lesefutter zu versorgen, son-
dern um ernste Untersuchungen handelt es sich
bei unserer Arbeit, allerdings auch um die gläu-
bigen Zeitgenossen vor drohendem Unheil zu
warnen. Das ist der Grund, warum wir die Ge-
sichte Irlmaiers bringen und auf ihre Wahrheit
untersuchen.
„Die Bomben tun Euch nichts“
So um 1944. als die Zerstörung der Städte durch
Bombenangriffe immer mehr zunahm, war der
Freilassinger Hellseher einmal zu Besuch bei
einem Verwandten. Natürlich drehte sich das Ge-
spräch um den Krieg und die immer häufigeren
Alarme. In dem kleinen Städtchen war eigentlich
nur ein einziger absolut sicherer Unterstand. Ein
Nachbar, der bei der Anwesenheit Irlmaiers auf
einen kurzen „Ratsch“ beim Nachbar war, meinte:
„Wo wir hinrennen sollen, wenns einmal richtig
kracht, das weiß ich nicht.“ Da sagte Irlmaier:
„Du kannst ruhig in Deinem Haus bleiben, da
passiert gar nichts. Aber in der und der Gegend
wird fast alles zusammengeschlagen, da gibts
auch Tote genug. Da fallen zweimal die Bomben.
Euch tuts nichts.“ Infolge dieser Voraussage blieb
K. bei allen Fliegeralarmen in seinem Haus und
als dann wirklich gegen Ende des Krieges zwei
schwere Angriffe erfolgten, wurde tatsächlich nur
jene Gegend, die Irlmaier bezeichnet hatte,
schwer von den Bomben getroffen und es gab
viele Tote.
Statt der Sau ein Kalb
Einen spaßhaften Irrtum Irlmaiers wollen wir
nicht verschweigen. Allerdings konnten wir diese
an sich unwichtige Sache nicht nachprüfen, doch
dürfte dies in dem betreffenden Fall gleichgültig
sein. Es war zu jener Zeit, als der Schwarz-
handel blühte. Da notschlachtete ein glücklicher
Schweinebesitzer das fett gewordene Borstentier,
um wieder einmal einen ordentlichen Schweins-
braten auf den Tisch zu bekommen. Das gleiche
Gelüste hatte aber auch ein Unbekannter, der das
rosig schimmernde Fleisch irgendwie in seinen
Besitz brachte und damit spurlos verschwand.
Der sehr enttäuschte Schweineschlächter hatte
zwar verschiedene Verdachtsgründe, aber zu
einem schlüssigen Beweis fehlten die Voraus-
setzungen. Also sofort auf nach Freilassing zum
Irlmaier, der wirds schon wissen. Der Alois war
zufällig daheim und überlegte sich die Sache,
dann gab er folgende Erklärung ab: „Wenn Du
heut in der Nacht heimgehst von dieser Fahrt
nach Freilassing, dann wird Dir so um 10 Uhr ein
Mann begegnen, der hat einen Hut mit Gamsbart
auf, ist ein Untersetzter, er hat einen dunklen
Schnurrbart. Am Buckel hat er einen schweren
07
5 '
66
Rucksack, in dein ist ein Haufen Fleisch drinn.
Also pfüat Di!“ Der Bestohlene machte sich mit
dieser Weissagung auf die Heimfahrt, da er von
der Bahnstation noch einen ziemlichen Weg zu
seiner Behausung hatte. Trotz der erheblichen
Finsternis spitzte er wie ein Luchs umher, und
richtig, so um 10 Uhr herum begegnete ihm einer
mit einem schweren Rucksack, der ziemlich eilig
fürbaß ging. Alles stimmte, die untersetzte Figur,
der Hut mit dem Gamsbart, der kräftige Schnurr-
bart. ..Das ist er“, sagte sich unser Schweins-
bratenberaubte, machte in einem Bogen kehrt und
ging dem Rucksackmann eilig nach, bis dieser in
einem Haus verschwand. Ein Gendarm >var
schnell bei der Hand, als er von dem Dieb hörte,
und dann ging es gemeinschaftlich in das bewußte
Haus. Da saß der mit dem Schnurrbart gerade
bei der Brotzeit und wischte sich den Schweiß
von der Stirn, als der Hüter des Gesetzes un-
versehens eintrat. „Na, wo ist das gestohlene
Fleisch, heraus damit“, sprach der Gendarm zu
dem Erbleichenden. Der Bestohlene aber hatte
schon den Rucksack auf der Ofenbank erspäht,
ein Sprung und das Geheimnis enthüllte sich. Als
man aber das Fleisch herauszog, war es kein
Schweinernes von der gestohlenen Sau, sondern
ein Kälbernes von einer Schwarzschlachtung. Aber
gestohlen war es auch. Wo lag der Fehler?
Die Kiste unter dem Kohlcnhaufen
Frau X. hatte große Wäsche. Das ist in jedem
Haushalt ein Ereignis, denn es kostet Mühe und
Arbeit genug, in diesen teueren Zeiten die gute
Wäsche richtig zu erhalten. Deswegen war die
Frau froh, als das letzte Stück gereinigt an der
Leine hing. Nach getaner Arbeit ging sie einer
anderen Beschäftigung nach. Als sie wieder nach
der Wäsche sah, war diese bis zum letztenn Stück
verschwunden. Ein Dieb hatte eine günstige Ge-
legenheit benützt, um damit zu verschwinden.
Den Schrecken der Frau kann man sich vorstel-
len, als sie von der unerfreulichen Tatsache
Kenntnis nahm, und wehklagend kam sie zu
ihrem Mann. Der dachte sofort an Irlmaier und
schleunigst wurde „der Alisi“ um Rat gefragt.
„Wo is mei Wasch“, sagte die betrübte Frau,
„Irlmaier, i bitt Di, hilf mir!“ Und der Hellseher
half, wie er auch sonst gern hilft, wo er kann.
„Du weißt doch das Haus vom Y., da gehst nei
und in Keller nunter. Aber nicht im ersten Kel-
ler, da gehst durch, da is noch ein zweiter Kel-
ler, da gehst hinein. Und da sind Kohlen, ein
großer Haufen. Die mußt wegschaufeln, dann
findest Du Deine Wasch wieder , sagte der Hell-
seher. Das ließ sich die Frau nicht zweimal
sagen. Sie bat einen Schutzmann mitzugehen und
machte sich auf den Weg in das bewußte Haus.
Die Hausleute wartfn sehr empört, daß ein Gen-
darm daherkam und von einem Wäschediebstahl
die Rede war, aber schließlich ging alles in den
Keller. Und siehe da, im zweiten Keller war
der große Kohlenberg. Eine Schaufel war schnell
bei der Hand. Schon in kurzer Zeit kam eine
große Kiste zum Vorschein und darin lag noch
naß, wie sie von der Leine gekommen war, die
gestohlene Wäsche. Daß die Frau hocherfreut
abzog, kann jede Hausfrau lebhaft nachfühlen.
G8
69
Was weiter geschah, ist belanglos. Die Tatsachen
selbst haben wir in F. nachgeprüft.
Der Blick über den Ozean
Als sieh das Gerede uin die .hellseherischen
Eigenschaften des Brunnenmachers von Freilas-
sing immer weiter verbreitete, kamen auch Leute
aus den Vereinigten Staaten zu Irlmaier, um sich
Auskunft zu holen. Vielleicht waren es Gefühle
des Heimwehs nach den so weit entfernten An-
gehörigen, jedenfalls kamen besonders viel far-
bige Soldaten, um den Hellseher zu besuchen.
Einmal kam ein Amerikaner nach Freilassing.
Irlmaier beschrieb nun dem Fragenden sein Haus
bis in die kleinsten Einzelheiten. Leider sah er
in dem Heim des Amerikaners dessen Frau auf
dem Totenbett und sagte es auch dem erschüt-
terten Gast. Aber es sagte ihm noch etwas: „ln
Deinem Haus sitzt einer drinnen, der will Dich
um Hab und Gut bringen. Er sinniert Tag und
Nacht darauf, wie er in den Besitz des Hauses
kommen kann. Fahr so bald wie möglich heim,
sonst ist es zu spät.“
Der Amerikaner erhielt kurze Zeit darauf die
Nachricht, daß seine Frau wirklich gestorben war.
Sein Schwager, der Bruder der Frau, hatte
Schritte eingeleitet, um den Gatten der Verschie-
denen als unzurechnungsfähig erklären zu lassen,
damit eine Erbschaft abgebogen werden konnte.
Nach Regelung der ganzen Angelegenheit (der
Amerikaner war sofort nach den Vereinigten
Staaten abgereist) erhielt Irlmaier ein Dank-
schreiben, welches die Voraussagung vollinhalt-
lich bestätigte. Zeit und Raum scheinen also beim
Ilellschcn keine Rolle zu spielen, denn Name
und Wohnort des Betreffenden liegen vor.
Das Spruchkammerurteil:
„A Sechser und a Neuner 4
In der Zeit, als die Spruchkammer- Verhandlun-
gen auf ihrem Höhepunkt waren, hatte auch ein
Mann aus unserer Gegend sehr schwere Sorgen.
Seine eigenen Verwandten „tauchten“ ihn mit
Denunziationen bei allen möglichen Stellen hin-
ein. Der Grund war, wie in so vielen Fällen,
Habsucht und Gemeinheit. Der Betreffende hatte
ein nettes Haus und das wollte eine Verwandte
gern haben. Das konnte man so um 1947 herum
am besten machen, wenn man den Besitzer so-
zusagen auf kaltem Wege unschädlich machte.
Also wurde der Betreffende zum „Nazi“ gestem-
pelt, obwohl er nur Mitglied der NSV gewesen
war. Es folgte sogar Verhaftung und Lager Moos-
burg, bis es dann zur endgültigen Verhandlung
kam. Begreiflicherweise hatte der Mann großes
Verlangen, den Ausgang zu erfahren, Da er nun
Irlmaier kennt, ging er zu ihm und fragte:
„Wie gehts naus?“
Der Hellseher sagte: „Hab koa Sorg, Dei Sach
gellt guat naus. Sie und Dei Nachbar möchten
Dich hineintauchen, es geht aber anders und er
soll nur schauen, daß er nicht selbst hinein-
kommt. Und da siech i no an Sechser und an
Neuner, des werd si na scho ausweisen.“
Nach einiger Zeit fand die Verhandlung statt
und verlief auch so, wie es Irlmaier „gesehen“
70
71
hatte. Die Zeugen verwickelten sich in ziemliche
Widersprüche, das Resultat war eine Strafe von
600 Mark, die Gerichtskosten beliefen sich auf
300 Mark, insgesamt also 900 Mark. So war auch
der Sechser und der Neuner in Erfüllung gegan-
gen. Der mir das erzählt hat, Herr H. in F., war
selber derjenige, welcher dies alles am eigenen
Leib erlebt hat. Er sitzt in seinem Häusl und
schwört auf den Alisi, der ihm alles so genau vor-
ausgesagt hat.
Merkwürdiger Termin
Wieder einmal fragte jemand um das Schicksal
eines Kriegsgefangenen. Der Mann hieß L. und
hatte die Nummer: Moskau 3956. Irlmaier sagte
folgendes voraus: „Vor Eurem Haus habt Ihr
ein kleines Feld. Auf dem Feld wird iin Herbst
Weizen angebaut. Wenn dieser Weizen im näch-
sten Jahr geschnitten ist und die Stoppeln auf
dem Feld stehen, dann kommt er heim. Aber er
ist sehr krank. Trotzdem wird er wieder gesund
werden.“ Das war im Jahre 1947. Im Herbst
dieses Jahres wurde auf dem kleinen Grundstück
Weizen angebaut. Als der Weizen 1948 ge-
schnitten war und die Stoppeln noch auf dem
Acker standen, kam L. tatsächlich nach Hause.
Allerdings hatte er noch Hungerödem und mußte
in eine Heilanstalt, genas aber wieder und ist
heute gesund im Kreis seiner Familie. Sein voller
Name ist bekannt. Manchmal schaut er auf das
kleine Feld vor dem Haus und denkt darüber
nach, wie der Irlmaier das alles voraussehen
konnte. Darüber wundern sich heute mehr Leute.
72
Um acht Tausender
Eine Frau in L. in Oberfranken mußte eines
Tages die Beobachtung machen, daß ihr ganzes
Vermögen in Höhe von 8000 Mark gestohlen wor-
den war. Sie hatte zwar einen Verdacht auf
eine andere Frau, konnte jedoch keinen Beweis
dafür aufbringen. In ihrer Verzweiflung - wandte
sie sich an den Hellseher von Freilassing. Nach
verschiedenen vergeblichen Versuchen entschloß
sie sich zu der weiten Reise von Oberfranken
bis an die Grenze in Bayern. Irlmaier sagte ihr
sofort: „Dein Geld hat Dir nicht die Frau ge-
stohlen, sondern ein Mann.“ Dann beschrieb Irl-
maier den Mann so genau, daß die Bestohlene
sofort wußte, wen er meinte. „Der hats gstohln,
jetzt fährst heim und sagst es ihm aufn Kopf
zu, na kriegst Dei Geld wieder!“ Diesen Rat
befolgte die Frau aus L., fuhr heim und ging
sofort zu dem ihr von Irlmaier beschriebenen
Mann. Sie sagte: „Ich weiß bestimmt, daß Sie
mir die 8000 Mark gestohlen haben. Wollen Sie
das Geld herausgeben oder soll ich zur Polizei
gehen?“ Da gestand der Mann, der eine große
Familie zu ernähren hat, daß er der Versuchung
bei einer günstigen Gelegenheit erlegen sei und
die Summe tatsächlich gestohlen habe. Er brachte
die ganzen 8000 Mark zurück und bat flehent-
lich, von einer Anzeige bei der Polizei abzusehen
und ihn nicht ins Unglück zu stürzen. Da es der
Bestohlenen in der Hauptsache nur um das Geld
zu tun war, erstattete sie keine Anzeige. Sie
schickte aber ein Danktelegramm und einen aus-
führlichen Brief nach Freilassing. Die beiden
73
Schriftstücke wurden dem Schreiber dieser Zei-
len vorgelegt, der Sachverhalt ist vollständig
einwandfrei belegt. Infolge der sehr weiten Ent-
fernung von L. in Oberfranken nach Freilassing
ist wohl jeder Verdacht irgend einer anderwei-
tigen Kenntnis der Verhältnisse abwegig.
Der Todesfall in der Familie
Einen weiteren sehr traurigen Fall erlebte eine
Familie in S., mit der Irlmaier sehr gut bekannt
ist. Eines Tages war er dort wieder zu Gast.
Auf einmal „sah“ er wieder etwas und ver-
stummte. Als er gefragt wurde, was denn los
sei, sagte er: „In Eurer Familie wird sich bald
ein Trauerfall ereignen. Ich sehe einen Mann
am Boden liegen, er hat etwas am Unterleib
und wird daran sterben.“ Die Familie, welche
die Sehereigenschaften Irlmaiers kennt, riet hin
und her, wer der Todeskandidat sein könnte,
und kam schließlich auf einen Verwandten, der
ein Magengeschwür hatte. Diese Vermutung war
allerdings falsch, wie sich später herausstellte.
Nach vier Wochen nämlich wurde ein Ver-
wandter von einem Pferde, das sonst absolut
fromm und zuverlässig war, plötzlich aber aus-
schlug, so hart in die ßauchgegend getroffen,
daß er zu Boden fiel und schwere innere Ver-
letzungen davontrug. Trotz schnellster ärztlicher
Hilfe war eine Rettung nicht mehr möglich,
der junge, kräftige Mensch mußte sterben. Es
ist begreiflich, daß man seit dieser Zeit den
Brunnenmacher nicht mehr gern fragt, was er
sieht, wenn er auf Besuch kommt.
74
3 mal 27
Ein merkwürdiger Fall ereignete -sich vor einigen
Jahren, als der Brunnenmacher von Freilassing
um das Schicksal eines Kriegsgefangenen gefragt
wurde. Er betrachtete lang das Bild des jungen
Mannes, dann sagte der Hellseher:
„Er kommt bald nach Deutschland, aber dann
muß er in ein Lazarett. Dann seh ich nichts
mehr.“ Auf Drängen des Fragenden, wann denn
der Kriegsgefangene heimkomme, erklärte Irl-
maier, das könne er nicht sagen, aber er sehe
immer die Zahl 27 und zwar dreimal. Was das
bedeute, könne er aber nicht deuten. Tragischer-
weise erfüllte sich diese Voraussage in folgender
Weise. Der Kriegsgefangene wurde am 27. Sep-
tember im Ural in Marsch gesetzt, um in die
Heimat zu kommen. Er traf in Frankfurt an der
Oder ein, war aber sehr krank geworden. Ins
Lazarett eingewiesen, konnte er infolge der er-
littenen Strapazen die Krankheit nicht mehr über-
winden und starb am 27. Oktober desselben Jahres.
Am 27. Dezember erhielten die tiefbetrübten An-
gehörigen die Todesnachricht durch den Bürger-
meister des Ortes. Kurze Zeit darauf erschien in
der Heimat des auf so tragische Weise Verstor-
benen ein Kamerad, der alle Einzelheiten dieses
Falles und die genauen Daten dieser Mitteilung
bestätigte. So waren auch die drei Siebenund-
zwanziger erklärt. Als später Irlmaier deswegen
Vorwürfe gemacht wurden, weil er den Tod des
Kriegsgefangenen nicht erwähnt- hatte, sagte der
Hellseher: „Ich habe es genau gesehen, wie er
, verschleiert 4 wurde, aber ich wollte es Euch nicht
sagen, weils mir derbarmt habts.“ — Es ist eine
75
alte Geschichte, die armen gequälten Leute wol-
len natürlich diese Dinge nicht hören, viele wer-
den auch darunter sein, die diese tragische Seite
des Hellsehens nicht ertragen können. Umsonst
hat Gott die Zukunft nicht ins Dunkle gehüllt.
Aber ein Gedanke geht uns nicht aus dem Sinn.
Ist es nicht ein gewisser Ausgleich, wenn durch
den Mann in Freilassing Tausende irgend eine
Hoffnung bekommen, nachdem eine satanische
Grausamkeit es verhindert, daß Kriegsgefangene
auch nur die kürzeste Nachricht in die Heimat
senden? Ist es manchmal nicht besser, zu wissen,
daß der Vermißte längst den ewigen Frieden ge-
funden hat, als jahrelang zu bangen und zu
hoffen, um dann gar nichts oder nur durch eine
solche eigentümliche Gabe das Schicksal eines
lieben Menschen zu erfahren?
Bis in die kleinsten Einzelheiten
Wir erhielten folgende briefliche Mitteilung, die
wir ohne jeden Kommentar wortwörtlich hier
wiedergeben :
„Ich fuhr mit meinem Schwager zu Irlmaier, um
einen Diebstahl, einen Lastwagen betreffend, zu
klären. Irlmaier wußte weder woher Herr H.
kam, noch was passiert war. Herr II. 'bezweifelte
grundsätzlich die Möglichkeit des Hellsehens und
gab sich nach diesem Ergebnis restlos geschlagen.
Irlmaier sagte H. folgendes: „Dir hat man an
Deinem Lastwagen Reifen abmontiert. Vier sinds!
Wenn sie nicht gestört worden wären, hätten
sie die restlichen auch noch mitgenommen. Ich
sehe den Wagen stehen in einer Sandmulde,
76
warum hast Du den Wagen nicht in der Garage?
Er steht auf drei Füßen ganz nieder am Boden.
Ein umgebauter Personenwagen war es, der Deine
Reifen fortbrachte. Von der Leite her ist der
Diebeswagen angefahren und nicht von der Straße,
wo nach Spuren gesucht wurde.“ Hierauf folgte
die genaue Beschreibung der Diebe, die soweit
ging, daß er sogar sagen konnte: „Der eine ist
ein Steiermärker. Kriegen tust Deine Reifen nicht
mehr, einen hat er vertauscht gegen Lebens-
mittel, die anderen drei liegen unterm Heu in
einem Stadel versteckt. Mit diesen können sie
nicht viel anfangen, sie sehen nur äußerlich gut
aus, taugen aber nicht mehr viel. Beim Reifen
vom linken Hinterrad hast Du einen Steindurch-
schlag.“ (Stimmte ganz genau 1) Die Personen-,
Orts- und Verwandtschaftsbeziehungen der beiden
Diebe stimmten so genau und deckten sich völlig
mit der Person, die Herr II. schon vorher in
Verdacht hatte. - P.“
Der bestätigte Brief
Es ist begreiflich, daß Angehörige von vermißten
Soldaten sich zu Tausenden an den Hellseher um
Auskunft wenden. Unter den allzuvielen Anfragen-
den befinden sich aber auch solche, die einen
bereits als gefallen Gemeldeten immer noch unter
den Lebenden glauben. Es ist nun gerade für den
weichherzigen Irlmaier eine sehr schwere see-
lische Belastung, solche Anfragen zu bearbeiten.
Denn ihm zeigt sich in vielen Fällen das Ge-
schehen des Todes in grausamer Klarheit und er
wendet sich dann erschüttert ab: „Tu ’s weg,
77
das Bildl, ich kanns nimmer anschauen, der arme
Mensch! Und wie soll ich es seiner Mutter sagen,
die fallt ja um vor Schmerz.“ So sagte er kürz-
lich, als ihm ein Soldatenbild vorgelegt wurde.
Er beschrieb dann auf Bitten noch, wie sich der
Tod des Soldaten abgespielt hatte. Er hatte einen
Granatsplitter an der Schulter und einen in die
rechte Schläfe erhalten und war sofort tot. Als
nun den Angehörigen diese traurige Nachricht
übermittelt wurde, waren sie nicht überrascht.
Denn der Kompanieführer des Gefallenen hatte
fast wörtlich übereinstimmend den Tod des be-
treffenden Soldaten ebenso geschildert.
Das siebente Kind
Als der Brunnenbauer vor nicht allzu langer Zeit
bei jemand in T. auf Besuch war, beschrieb er,
ohne die Wohnung jemals betreten zu haben,
genau die Lage des Schlafzimmers, die Stellung
der Betten und bewies später durch einen Ruten-
gang, daß wirklich ein Wasserlauf das Zimmer
schnitt und direkt unter einem Bett durchging.
Tin Lauf des Gesprächs schaute er wieder ein-
mal kurz ins Dunkle und sagte dann plötzlich:
„Du hast sieben Kinder.“ Als der Angesprochene
das korrigierte und meinte: „Nein, ich hab vier
lebende Kinder, zwei sind gestorben, also da hast
du dich geirrt.“ Da bewies Irlmaier, daß er wirk-
lich ein echter Hellseher ist, denn er sagte: „Du
hast vergessen, daß deine erste Frau eine Früh-
geburt hatte.“ Diese Aeußerung war richtig, sie
berührte aber eine Tatsache, die außer einer
einzigen Person auf der ganzen Welt niemand
78
wußte und wissen konnte. Es war auch nie dar-
über gesprochen worden und die Mutter war
seit langer Zeit tot. Nun soll jemand erklären,
wie auf natürliche Weise ein solches Geheimnis,
das jederzeit eidlich erhärtet werden kann, zur
Kenntnis Irlmaiers gelangen konnte. Jeder Betrug
oder eine Vorkenntnis ist ausgeschlossen. Hier ist
ein Problem, das jeden unbefangenen und un-
voreingenommenen Forscher interessieren muß.
Es gibt bereits eine Reihe von Gelehrten, die
die Parapsychologie (Forschung des Ucbcrsinn-
liehcn) mit allem Ernst betreiben. Hier haben
sic eine weitere harte Nuß zu knacken.
Der Mann mit der Prothese
Folgende verbürgte Geschichte zeigt wieder ver-
blüffende Einzelheiten, die auf gewöhnliche Er-
klärungen hin nicht denkbar erscheinen. Ein ßalin-
beamter hatte sich irgendwo in Oberbayern ein
Häuschen gebaut und geheiratet. Das Glück war
aber nicht ungetrübt, denn die Ehefrau kränkelte
und wollte nicht gesunden. Alles, was Aerzte an
Mitteln der modernen Medizin anwandten, war
vergeblich. Durch Bekannte wurde der Beamte
auf den Brunnengraber Irlmaier aufmerksam ge-
macht und benützte die Gelegenheit zu einer
Aussprache. Er schilderte seine Audienz bei dem
Hellseher folgendermaßen:
„Wie ich hineinkomme in seine Kabine, Zimmer
kann man nicht sagen, Aveil die Hütte so klein
ist, sagt der Irlmaier: ,Da setz dich her, brauchst
mir gar nichts zu sagen, ich weiß schon, warum
du kommst. Deine Frau ist krank. 4 Dann bc-
79
schreibt mir dieser Mann, den ich in meinem
Leben zum ersten Male sehe, mein Haus so genau
mit allen Einzelheiten, daß ich. einfach baff bin.
Er sagt mir, daß Wasseradern unter dem Haus
durchgehen, daß in unserem Schlafzimmer jeden-
falls das Bett meiner Frau über einer solchen
Ader stehe, und wenn er nach M. komme, werde
er die Gelegenheit benützen, um mir das mit
der Rute zu beweisen. ,Ihr müßts das Bett anders
aufschlagen*, sagte dieser seltsame Mann, ,dann
wirds bei deiner Frau gleich besser gehen'. Ich
bedankte mich bei ihm und dann kamen wir auf
die Zukunft des Vaterlandes zu sprechen. Irl-
maier bestätigte mir wieder, was ich schon von
anderer Seite gehört hatte, daß er ein Ereignis
voraussehe, das mit einem Zusammenstoß feind-
licher Heere enden werde. Und er sagte ferner,
daß alle Männer bis zu einem gewissen Alter
dann gemustert würden, zum Einsatz käme frei-
lich keiner, weil alles so schnell ginge. Um den
Seher auf die Probe zu stellen, fragte ich ihn:
,Nun, wenn das schon in absehbarer Zeit kommen
soll, dann wirds mich auch erwischen, weil ich
ja noch nicht die Altersgrenze erreicht habe.
Werde ich dann auch gemustert werden?' Dazu
muß ich bemerken, daß ich im letzten Krieg
einen Fuß verloren habe (Unterschenkelampu-
tation). Ich hatte aber das Glück, eine so meister-
hafte Prothese zu bekommen, daß nicht einmal
nähere Bekannte von mir wußten, daß ich ein
Bein verloren habe und eine Prothese trage. Auch
Irlmaier konnte es nicht bemerken, erstens weil
es in seiner Pude ziemlich düster war und
zweitens weil ich beim Niedersitzen in keiner
Weise behindert bin. Der Hellseher sagte nun
auf meine Frage, indem er spitzbübisch lachte:
,Ja, mustern tuns Dich schon, aber was willst
denn Du mit Deinem künstlichen Haxen, Dich
könnens nicht mehr brauchen! Fahr nur wieder
heim, ich komm sowieso einmal zu Dir. Dann
schauen wir nach wegen der Wasserader.' Mit
diesen Worten verabschiedete er sich. Ich fuhr
heim und erzählte meiner Frau alles. Wie es so
geht, das Umstellen der Betten verschoben wir,
aber in dem Bett meiner Frau schlief einstweilen
meine Schwägerin, während wir selbst in einem
anderen Zimmer unsere Liegestatt aufschlugen.
Es dauerte nicht lang, bis nun meine Schwägerin
über alle möglichen Schmerzen zu klagen anfing,
sich über unruhigen, schlechten Schlaf beschwerte
und schließlich doch zu der Ueberzcugung sich
bekehrte, daß der Irlmaier wirklich nicht un-
recht gehabt habe mit seinen Meinungen über
die Wasserader. Die Schwägerin hatte nämlich
die ganze Sache als ein Hirngespinst betrachtet
und nicht daran geglaubt.
Eines Tages kam Irlmaier dann zu uns und zeigte
mit seiner Rute und einem Stück Kreide genau
an, wo die Wasserader lief. Wir überzeugten
uns, daß seine Aussage genau gestimmt hatte. Er
sagte uns noch mehr. ,Da hast Deinen Kühl-
schrank, gel, da hast alle Augenblick Repara-
turen, die Sachen verderben. Und da hast eine
Klingelanlage mit einer Batterie. Wie oft ist denn
die Batterie hin? Gel, alle vier Wochen mußt
den Installateur kommen lassen und keine Bat-
terie hält Dir aus. Weißt auch warum? Da schau
her, Dein Eisschrank steht direkt über der Wasser-
ader und die Batterie für Deine Klingelanlage
hast auch in dieser schönen Wasserader drinnen.
Und wenn ihr das Bett nicht anderswo hinstellt,
dann muß Deine Schwägerin ins Krankenhaus und
bleibt immer wieder kränklich und schmerzen-
geplagt. Es kann dann auch so viel Schaden an
ihrer Gesundheit entstehen, daß sie überhaupt
nicht mehr geheilt werden kann.“
Tn dem Haus am Hachinger Bach haben sie dann
die Betten umgestellt, und seitdem ist ein Ende
mit dem Rheumatismus, den Rückenschmerzen,
dem Kopfweh und dem unruhigen Schlafen, nach
dem man wie gerädert aus dem Bett steigt und
den ganzen Tag müde ist und arbeitsunfähig.
Neuere Gesichte
Erstaunliche Wassersuchc
In St. war ein hoher Besuch im Kloster eingetrof-
fcn, die Oberin einer klösterlichen Niederlassung
in Argentinien. Sie hatte schwere Sorgen, die
ehrwürdige Mutter. Denn in Südamerika ist das
Wasser noch kostbarer als bei uns und die Non-
nen fanden trotz vieler Versuche kein Wasser.
Man rief Irlmaier und legte ihm eine genaue
Karte der Umgebung des Klosters in Argentinien
vor. Irlmaier tastete die Karte ab und bezeich-
nete sofort eine Stelle am Hang eines Hügels in
nächster Nähe der Niederlassung. Die Oberin
reiste dann von Straubing nach Argentinien zu-
rück. Bald kam ein Brief und teilte mit, daß
die Grabungen an der bezeichneten Stelle zu einer
ergiebigen Wasserader geführt hatten.
82
Der aufgcdecktc Mord
In Z. in der Schweiz hatten zwei Banditen einen
Bankdirektor herausgelockt und brutal ermordet.
Trotz angestrengter Tätigkeit der tüchtigen Polizei
konnten die Mörder nicht ermittelt werden. Irl-
maier, der damals gerade in P. in der Schweiz
eine Wasserader für ein Turbinenwerk suchte
(und auch fand), hörte von dem Verbrechen und
ließ durch einen bekannten Schweizer der Polizei
eine genaue Beschreibung der Banditen zugehen
und nannte sogar deren Aufenthaltsort. Darauf
konnten die zwei Burschen verhaftet werden und
legten sofort ein Geständnis ab. Nicht bloß die
Polizeileute waren erstaunt über diese verblüf-
fende Tat des Hellsehers von der Salzach.
Der Mann mit dem Vollbart
Als Irlmaier in München wegen eines defekten
Kugellagers in seinem alten „Wanderer“ eine
Reparaturwerkstätte aufsuchen mußte, wurde ihm
erklärt, daß bereits Arbeitsschluß sei und des-
wegen das Auto erst am nächsten Tag repariert
werden könne. Als einer der Mechaniker erfuhr,
daß Irlmaier da sei, ging er freudestrahlend auf
den Brunnengraber zu und sagte: „Aus Dankbar-
keit mache ich Ihren Wagen sofort noch fertig.
Denn Sie haben seinerzeit meiner Frau gesagt,
als sie zu Ihnen mit meiner Fotografie kam und
um mein Schicksal als russischer Kriegsgefangener
fragte: , Obwohl Dein Mann als vermißt gemeldet
ist, brauchst keine Angst zu haben. Er lebt und
arbeitet bei einem Eisenbahnbau. In drei Jahren
83
o*
kommt er heim. Ich sehe ihn abends vor deiner
Wohnungstür stehen. Da kennst ihn nicht, weil
er einen Vollbart hat, aber dann kennst ihn.*
Genau so war es.“
Fünf und sieben
Eine Frau in der Nähe von W. in Oberbayern,
deren Mann als gefallen gemeldet war, wollte
wieder heiraten. Da es ihr aber keine Ruhe ließ,
wandte sie sich ira Frühjahr 1950 durch eine
Bekannte an Irlmaier. Der Hellseher betrachtete
die Fotografie eingehend, dann sagte er: „Die
Frau soll nicht wieder heiraten. Ihr Mann lebt.
Ich sehe eine fünf und eine sieben, ich weiß
aber nicht, was diese Zahlen bedeuten. Aber er
kommt wieder zu seiner Frau. Am 7. Mai 1950
traf aus Rußland ein Heimkehrertransport ein.
Unter den ehemaligen Gefangenen war auch der
Mann aus W., für' den bereits der Gottesdienst
gehalten worden war.
Der Mann mit dem Motorrad
Bei einer Wassersuche in der Nähe von Tr. ka*m
ein Beamter des großen Werkes mit seinem
Motorrad. Später saß dieser Beamte mit Irlmaier
in der Werkkantine beisammen. Bei dieser Ge-
legenheit warnte der Seher den Beamten. Er
solle das Motorradfahren aufgeben, da er ein
Unglück voraussehe, das sich in vierzehn Tagen
ereignen werde. Aber der Herr erklärte lachend,
daß er nun schon so lange fahre und nie sei
ihm etwas passiert. Audi könne er aus beruf-
lichen Gründen das Fahren nicht aufgeben. Irl-
maier habe sich diesmal sicher getäuscht. Leider
erfüllte sich die Voraussage des Hellsehers. Nach
vierzehn Tagen verunglückte der Beamte mit
seinem Motorrad tödlich.
Der schwarze Qualm
Von Wiesmühl nach Tittmoning führt eine Neben-
strecke der Eisenbahn. Die Linie wird bei der
Ortschaft Kay rechtwinklig von der Landstraße
geschnitten. Schranken sind dort nicht angebracht.
Eines Tages unterhielt sich Irlmaier mit einem
Herrn der Umgebung und warnte ihn mit der
Mahnung zu größter Vorsicht. Er sehe ein zer-
störtes Auto und einen dicken schwarzen Qualm,
könne aber keine näheren Einzelheiten erkennen.
Der Autofahrer aber lachte nur und meinte, er
werde schon aufpassen und fahre seit Jahren
ohne Unfall. Kurze Zeit darauf kam der Auto-
fahrer in einem flotten Tempo an die oben ge-
nannte Kreuzung. Der Zug erfaßte den Kraft-
wagen, die zwei Insassen waren tot. Eine dicke
schwarze Wolke stand über der Unglücksstelle,
da das Benzin explodierte.
Der Tote in der Isar
In der Nähe Münchens war ein Mann, der in-
folge Kriegsverletzungen an einer Gemütsdepres-
sion litt, spurlos verschwunden. Sein Bruder kam
mit Irlmaier anläßlich einer Quellensuche zu-
sammen und klagte über das ungewisse Schicksal
des Vermißten, worauf ihm der Hellseher un-
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verblümt sagte: „Dein Bruder ist ins Wasser ge-
gangen und hat Selbstmord verübt. Ich sehe seine
Leiche in der Isar liegen.“ Irlmaier führte dann
den Bruder den Weg vom Haus weg durch die
Auen und zeigte ihm den Platz, an dem der
Unglückliche in die Isar sprang. Er deutete
auch den Liegeplatz der Leiche an, doch konnte
wegen des Winters eine Suchaktion nicht durch -
geführt werden. Zwei Monate später, als das Eis
gebrochen war, wurde dann in nächster Nähe des
bezeichneten Platzes die Leiche gefunden.
Der verlorne Schmack
Als im Jahre 1945 die Amerikaner von Westen
und die Russen von Osten immer näher heran-
kamen, da haben die Leute ihren Schmuck viel-
fach vergraben. Das tat auch ein Bauer, der ver-
schiedene Kostbarkeiten in eine Schachtel ver-
packte und diese dann in einer Grube versteckte,
ln den wirren Zeitläuften nach dem Krieg, als
die Unsicherheit auf dem Lande noch sehr groß
war, wurde der Platz des vergrabenen Schmuckes
vergessen. Als man nachforschte, war nichts zu
finden. Der Bauer hörte von dem Hellseher in
Freilassing und bat ihn zu kommen. Irlmaier
fand den Platz aber erklärte dann: „Hier ist ein
Baum gestanden. In dessen Wurzelballen sehe ich
die Schachtel mit den Goldsachen. Nun erinnerte
sich der Landwirt, daß er den Baum an einen
Bekannten verkauft hatte. Der betreffende Baum
war noch auf dem Lagerplatz und tatsächlich
kam aus dem Wurzelballen der vermißte Schmuck
zum Vorschein.
Der Giftmord in Tr.
Zum Abschluß dieser Episoden, deren uns einige
Hundert vorliegen, wollen wir einen Fall schil-
dern, den der Verfasser selbst miterlebte. Alle
Personen dieses Berichtes, mit Ausschluß aller-
dings der Giftmörderin, sind dem Verfasser
persönlich bekannt. Der Ermordete war mit dem
Verfasser im gleichen Wildbad, sein „Krankheits-
verlauf“ ist bekannt und ärztlich registriert, die
Akten des Prozesses am Landgericht Tr. sind
jederzeit greifbar. Es handelt sich hier also um
gerichtsbekannte Tatsachen, an denen nicht zu
deuteln und zu rütteln ist. Der Prozeß spielte
sich im Februar 1952 ab. Die Vorgeschichte ist
kurz zusammengefaßt folgende:
Zu dem Hellseher Irlmaier in Freilassing kam
eines Tages eine gewisse Frau V. aus Berlin,
deren Mann Erhard V. von ihr getrennt lebte
und nach dem Krieg mit einer Paula K. ein
pharmazeutisches Geschäft eröffnet hatte. Paula K.
war zunächst Angestellte, dann Geschäftsführerin
und schließlich die Geliebte von V. Dieser hatte
angeblich nicht gewußt, daß seine Frau in Berlin,
von der er nach einem Bombenangriff getrennt
wurde, noch lebte. V. hatte seiner Geliebten ein
Heiratsversprechen gegeben, als plötzlich die recht-
mäßige Frau in Tr. auftauchte und ihre Rechte
geltend machte. Es gab einen dunklen Punkt im
Leben des V. Angeblich hatte er in seinem Frage-
bogen verschwiegen, daß er seinerzeit bei der
SS gewesen war. Das wußte seine Geliebte und
86
erpreßte V. mit einer Anzeige fiir diese Sache,
die damals von den Amerikanern mit ^schwerer
Strafe bedroht war. Infolgedessen gab es mit der
Frau des V. schwere Auseinandersetzungen, da
von seiten des Mannes Scheidung verlangt wurde.
In dieser seelischen Not kam die Frau zu Irl-
maier, der sie tröstete und sagte: „Tu gar nichts
jetzt, Dein Mann stirbt bald!“ Inzwischen war
V. nach einer Bergtour mit der K. schwer er-
krankt. Er kam in das nahe gelegene Wildbad A.
zur Erholung, wo er dem Verfasser erzählte,
während einer Reise sei er mit einem unbekann-
ten Krankheitskeim infiziert worden. Trotzdem
er Protestant war, sang er in dem Krankenhaus
mit seinem schönen Bariton Marienliedcr und
konvertierte später. Sein Zustand besserte sich
bedeutend, bis nach einem Besuch der K. plötz-
lich eine erneute heftige Verschlechterung ein-
trat. Als V. aus Tr. verschwunden war, ging die
Ehefrau wieder zu Irlmaier und klagte, daß ihr
Mann plötzlich verschwunden sei. Irlmaier sagte
ihr, daß er wieder in Bad A. weile, beschrieb
ihr sogar sein Zimmer im zweiten Stock, wo sic
ihn auch fand. Es gab eine heftige Szene. Darauf
wurde der Frau der Besuch des Schwerkranken
untersagt. V. ging dann auf Zureden der K. in
seine Wohnung in Tr. und starb daselbst am
23. Januar 1952. Bei der Testamentseröffnung
stellte sich heraus, daß der Verstorbene die K.
als Alleinerbin eingesetzt hatte. Als die Frau V.
deswegen Verdacht .schöpfte und wieder zu lrl-
maier nach Freilassing fuhr, sagte ihr der Hell-
seher: „Ich sehe Deinen Mann im frischen Grab
liegen. In seinem Leib sind eine Anzahl Gift-
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bereits gestorben war. Die K. war tatsächlich
eine stattliche Erscheinung mit schwarzen Haaren.
Auf Anzeige bei dem Staatsanwalt in Tr. wurde
die Leiche des V. exhumiert. Es konnte soviel
Arsen im Körper des Toten festgestellt werden,
daß sogar die Erde unter dem Sarg der Leiche
tabletten. Wenn Du ihn ausgraben läßt, erfährst
noch mehr. Dreimal ist es geschehen und da ist
eine große Schwarze dabei, die hat es ihm ge-
geben.“' Irlmaier konnte es nicht wissen, daß V.
Irlmaier
von dem Gift durchsetzt war. Sie zeigte dreißig-
mal so viel Arsenik als die andere Friedhoferde.
Daraufhin wurde die K. verhaftet. Im Verlauf
des Prozesses wurde festgestellt, daß in der phar-
mazeutischen Handlung des V. Arsenik-Tabletten
jederzeit zur Verfügung der Angeklagten standen,
daß die unerklärlichen Rückfälle der Krankheit
jedesmal nach dem Besuch der Mörderin ein-
traten. Da bei der K. eine fortschreitende Gehirn-
erkrankung festgestellt wurde, kam sie in eine
Heilanstalt.
Einwandfrei steht fest, daß durch den Hellseher
Irlmaier dieser Giftmord entdeckt und aufgeklärt
wurde. Daß der Verteidiger in dem Schwur-
gerichtsprozeß den einfachen Brunnenmacher mit
Spott abzutun suchte, ist seine Sache. Den Tat-
bestand konnte er nicht leugnen. Wer aber er-
klärt die geheime Kraft des menschlichen Geistes
und seine Fähigkeit, den Toten im Grab zu sehen
mit den Gifttabletten? Die Täterin zu beschreiben,
den Mord vorauszusagen? Man mag das alles
ruhig ins Lächerliche ziehen, daß es Hellseher
gibt kann niemand ernstlich leugnen. Deshalb
bringen wir auch das Zukunftsgesicht Irlmaiers,
ob cs sich nun erfüllt oder nicht, das liegt in
Gottes Hand.
Die kommende Zeit
Bekanntlich hat sich die Voraussage Irlmaiers
über den Dritten Weltkrieg in bezug auf das
Jahr 1950 nicht erfüllt. Eine Erklärung Irl-
maiers besagt, daß er die Zahl, die er gesehen
hat, selbst ausdeutete, daß aber auch durch die
90
Fürbitte der Jungfrau Maria das Unheil ab-
gewendet wurde. Als der Hellseher mehrmals ein-
dringlich gefragt wurde, ob denn das Gesicht
dieser zukünftigen Ereignisse verschwunden sei,
teilte er mit, dies sei keineswegs der Fall. Im
Gegenteil sehe er die Gesichte immer deutlicher
herankommen. Aber das erste Zeichen sei eine
Mordtat an einem „Hochgestellten“ südöstlich
von uns.
Ueber Nacht gehts los
Wenn dieser dritte politische Mord (Gandhi und
Graf Bernadottc die ersten zwei) geschehen ist,
dann beginnt es. Ueber Nacht geht es an, dann
kommen sie daher, ganz schwarz über den Wald
herein. So schnell kommen sie, daß die Bauern
am Wirtstisch beieinandersitzen, da schauen die
fremden Soldaten schon bei den Türen und Fen-
stern herein. Weg kommt nicht leicht mehr einer,
aber es geht alles so schnell vorüber, daß man
es nicht glaubt.
Drei Stoßkeile
Die Zeit ist nahe. Drei Stoßkeile sehe ich heran-
fluten. Der untere Heerwurm kommt über den
Wald daher, zieht sich dann aber nordwestlich
der Donau hinauf. Die Linie ist etwa Prag,
Bayerwald und Nordwesten. Das blaue Wasser
(Donau) ist die südliche Grenze. Der zweite
Stoßkeil geht von Ost nach West über Sachsen,
der dritte von Nordosten nach Südwesten. Jetzt
sehe ich die Erde wie eine Kugel vor mir, auf
91
der die Linien der Flugzeuge hervortreten, die
nunmehr wie Schwärme von weißen Tauben aus
dem Sand auffliegen.
Der Todesgürtel
Der Russe rennt in seinen drei Keilen dahin, sie
halten sich nirgends auf, Tag und Nacht rennen
sie bis ans Ruhrgebiet, wo die vielen Oefen und
Kamine stehen. Aber dann kommen die weißen
Tauben und es regnet auf einmal ganz gelb vom
Himmel herunter. Eine klare Nacht wird es
sein, wenn sie zu werfen anfangen. Die Panzer
rollen noch, aber die Fahrer sind schon tot. Dort,
wo es hinfällt, lebt nichts mehr, kein Mensch,
kein Vieh, kein Baum, kein Gras, das wird welk
und schwarz. Die Häuser stehen noch. Was das
ist, weiß ich nicht und kann ich nicht sagen.
Es ist ein langer Strich. Wer darüber geht, stirbt.
Von Prag gehts hinauf bis ans große Wasser an
eine Bucht. In diesem Strich ist alles hin. Dort,
wo es angeht, ist eine Stadt ein Steinhaufen.
Den Namen der Stadt darf ich nicht sagen. Nach
dem sehe ich, daß niemand mehr darüber kann.
Die herent sind, können nicht mehr zurück, die
Drcntern (Drüberen) können nicht mehr herüber.
Dann bricht bei den Ilerentern alles zusammen
(bei den eingedrungenen Heeressäulen. D. V.).
Zurück kommt keiner mehr.
Welche Jahreszeit es ist? Trüb, regnerisch und
Schnee durcheinander, vielleicht Tauwetter. Die
Berg haben oben Schnee, aber herunten ist es
aper (herbstliches Land?). Gelb schaut es her.
Ich sehe vorher ein Erdbeben. Der Koreakrieg
92
ist aus (diese Aussage stammt vom 7. Dezember
1952. D. V.).
Wie lang dauerts?
Das kann ich nicht genau sagen. Ich sehe eine
Zahl vor mir, das ist ein Dreier. Ich weiß aber
nicht, sind es drei Tage oder drei Wochen oder
Monate, ich kann es nicht sagen. Unsere jun-
gen Leute müssen noch einrücken, Freiwillige
werden noch in die Kämpfe verwickelt, die
andern müssen fort zur Besatzung und werden
drei Sommer dort bleiben, bis sie wieder heim-
komrnen. Dann ist Frieden und ich sehe die
Weihnachtsbäume brennen. Aufs Hauptquartier
schmeißens was runter, eine Kirche sehe ich auf
einem Berg, der Altar schaut nach Norden, die
Kirche seh ich brennen. Aber über das blaue
Wasser kommens nicht herüber. Da breitet die
liebe Frau von Altötting den Mantel aus über
den „Saurüssel“ (volkstümliche Bezeichnung Süd-
ost-Bayerns. D. V.). Da kommt keiner her. Aber
die Städter gehen aufs Land zu den Bauern und
holen das Vieh aus dem Stall bei denen, die
keine Bauern sind und keine Händ zur Arbeit
haben.
Der Verlauf der Katastrophe in anderen
Ländern
Drei Städte seh ich untergehen, die eine im
Süden versinkt im Schlamm, die andere im Nor-
den geht im Wasser unter, die dritte ist über
dem Wasser. Die Stadt mit dein eisernen Turm
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geht im Feuer unter, aber nicht durch den
Krieg. Die eigenen Leute zünden an, Revolution
wird sein. Im Stiefelland geht es auch drunter
und drüber, viele Geistliche werden grausam
umgebracht, wenig werden übrigbleibcn von
denen,- die nicht flüchten können. Ich sehe eine
rote Masse und gelbe Gesichter sehe ich da-
zwischen und gegen Süden zu. Der Papst kommt
ihnen aber aus und flüchtet im Pilgergewand
übers Wasser oder ans Wasser. (Vergleiche die
Weissagung des Malachias: Pastor et nauta —
Hirte und Schiffer! D. V.) Dort nimmt er sei-
nen Sitz auf kurze Zeit, kehrt aber wieder zu-
rück, wenn die Ruhe wieder hergestellt ist.
Das Bergland wird von Norden und Süden ein
wenig hineingezogen, im Osten des Landes aber
ist Ruhe. Die Länder am Meer (Holland, Bel-
gien, deutsche Küste, Dänemark) sind vom Was-
ser schwer gefährdet. Das Meer ist sehr unruhig,
haushoch gehen die Wellen, schäumen tut es,
als ob es unterirdisch kochte. Inseln verschwin-
den und das Klima ändert sich (Ablenkung des
Golfstromes? D. V.). Ein Teil der stolzen Insel
versinkt, wenn das Ding ins Meer fällt, das der
Flieger hineinschmeißt. Dann hebt sich das Was-
ser wie ein festes Stück und fällt wieder zurück.
Was das ist, weiß ich nicht. Wann es kommt,
weiß ich nicht. Der Krieg im Osten ist aus und
der dritte Mord ist geschehen. Drei Neuner sehe
ich, was das bedeutet, kann ich nicht sagen. Der
dritte Neuner bringt den Frieden.
Während oder am Ende des Krieges seh ich am
Himmel das Zeichen, der Gekreuzigte mit den
Wundmalen, und alle werden es sehen. Ich
hab cs schon dreimal gesehen, es kommt ganz
gewiß.
Im Osten aber bricht ein grausiges Morden an,
.die Leute raufen untereinander. Dann kommt das
Kreuz wieder zu Ehren.
Nach der Katastrophe
Wenn alles vorbei ist, da ist ein Teil der Be-
wohner dahin und die Leut sind wieder gottes-
fürehtig. Frieden wird es dann sein und eine gute
Zeit. Eine Krone seh ich blitzen, ein König-
reich, ein Kaiserreich wird entstehen. Einen alten
Mann, an „hageren Greis“ seh ich, der wird unser
König sein. Der Papst, der sich kurze Zeit übers
Wasser flüchten mußte, während die hohen Geist-
lichen scharenweis „schiach“ umgebracht wurden,
kehrt nach kurzer Zeit wieder zurück. Blumen
blühen auf den Wiesen, da kommt er zurück.
Wenns herbstein tut, sammeln sich die Leut in
Frieden. Aber mehr Menschen sind tot als in den
ersten zwei Weltkriegen zusammen. Zuerst ist
noch eine Hungersnot, aber dann kommen so viel
Lebensmittel herein, daß alle satt werden. Die
landlosen Leut ziehen jetzt dahin, wo die Wüste
entstanden ist, und jeder kann siedeln, wo er
mag, und Land haben, soviel er anbauen kann.
D Leut sind wenig und der Kramer steht vor
der Tür und sagt: „Kaufts mir was ab, sonst
geh i drauf.“' Bei uns wird wieder Wein baut
und Südfrüchte wachsen, es ist viel wärmer als
jetzt. Nach der großen Katastrophe wird eine
lange, glückliche Zeit kommen. Wer’s erlebt, dem
gchts gut, der kann sich glücklich preisen.
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95
Nachwort
Auch dem Irlmaier ging es wie jedem, der es
wagt, den Leuten etwas Unangenehmes voraus-
zusagen. Erstens glaubt man ihm nicht und zwei-
tens wird der unglückliche Hellseher persönlich
in der widerlichsten Form angegriffen. Und da-
bei wäre es so einfach. Wer diese Dinge nicht
glaubt, soll es doch bleiben lassen. Es wird sich
ja herausstellen, Avas kommt. Den anderen Zeit-
genossen, die mit uns zwei Weltkriege mit allen
Schrecken und Folgen erlebt haben, rufen Avir
den Vers des Psalmes 90 zu:
„Nun brauchst du keinen Schrecken
In der Nacht zu fürchten,
Und keinen Pfeil, der dich am Tage trifft,
Auch nicht die Seuche, die im Finstern schleicht,
Noch das Verderben, das am Mittag schlägt.
An deiner Seite fallen Tausende,
Zehntausende zu deiner Rechten:
An dich kommt nichts heran.
Gleichwohl Avirst du’s mit deinen Augen schauen
Und die Vergeltung an den Sündern sehen.”
Unserem Volke wünschen wir den Schutz Gottes
und unserer Lieben Frau, jedem einzelnen nach
diesen Schrecken eine gute Heimfahrt in die
EAvigkeit.
Traunstein, am Tag des hl. Sebastian 1955.
Dr. C. Adhnaier!
96
= s
Auf Ersuchen des Herrn Alois Irlmaier in Frei-
| lassing bitten wir alle Leser dieses Büchleins, |
| weder einen Brief an Irlmaier abzusenden, noch |
| den Versuch zu machen, ihn persönlich zu f
1 sprechen. Herr Irlmaier ist nicht mehr in der 1
I Lage, irgend jemand zu empfangen. Er will nur |
| noch seinen Beruf als Brunnenmacher und Was- |
| 6crsuchcr ausüben. Auch der Verfasser dieser §
| Broschüre kann keine Briefe mehr an Herrn Irl- |
muier weiterbefördern.
iiiimiiiiimiiMiiiimi ihm < mihi?